■ Vorschlag: Tucker & Rohr mit „Gershwin On Ice“ im Grünen Salon
Gleich mit einem seiner ersten eigenen Songs, „Swanee“, gelang George Gershwin ein richtiger Hit. Der größte Broadwaystar zu dieser Zeit, Al Johnson, nahm ihn in seine Revue „Sindbad“ auf, und Gershwin war fortan ein bekannter Mann. Die Karriere dieses Komponisten aus kleinen Verhältnissen ist denn auch so etwas wie eine Geschichte aus dem Bilderbuch: ideal für Hollywood, dem er später die Musik für zahllose Tanzfilme lieferte. Gershwin wurde nur 38 Jahre alt, aber er produzierte wie am Fließband. An seiner Seite meist sein Bruder Ira, der die Texte schrieb. An diesem ganz und gar von Musik geprägten Leben entlang, vom ersten großen Broadway- Erfolg mit „Girl Crazy“ über die Verschmelzung des Jazz mit den klassischen symphonischen Elementen in „An American in Paris“ bis zu „Porgy and Bess“, orientieren der Bariton John Tucker und sein Pianist Alard von Rohr ihren Gershwin-Abend. Biographische Daten und Anekdotisches aus Briefen des Komponisten verknüpfen, manchmal etwas schulmeisterlich, die einzelnen Songs. „Swanee“ macht folgerichtig den Anfang, und Gershwins allerletzte Komposition vor seinem Tod 1937, „Love Is Here To Stay“, bildet den Abschluß. Tucker und Rohr, zwei polyglotte Wahlberliner, kommen beide aus der Klassik. John Tucker, Meisterschüler u.a. von Elisabeth Schwarzkopf und Peter Pears, hat sich vor allem an Londoner Opern etablieren können. Zusammen mit Alard von Rohr tourt er seit einigen Jahren weltweit mit Songs von Cole Porter, Gershwin und Irving Berlin.
Das Outfit ist klassisch: Frack mit weißer Fliege – und so steht denn Tucker auch meist am Flügel angelehnt und singt, mit wenigen kleinen Gesten, als sei's ein Schubert-Liederabend. Die optische Strenge dieses disziplinierten Auftritts prägt auch den Gesang. Aber Tuckers schmelzender Bariton paßt nicht so recht zu den swingenden Gershwin-Nummern. So vorgetragen wirken sie befremdlich und sogar leicht monoton. Irgendwie fehlt der zündende Funke, der Groove, das heimliche Wippen in den Fußspitzen, wie es die Verbindung von Musicalbühne und Jazz eigentlich bewirken müßte. Ob „The Man I Love“ oder „Fascinating Rhythm“, John Tucker singt die Lieder schön – zu schön. Zu wenig Brechung oder gar Leidenschaft, die auch mal irritiert oder einfach ausbricht. So wird aus jeder dieser eigentlich recht jazzigen Melodien letztlich ein elegant gesungenes Kunstlied. Aber vielleicht ist dieser ölig glatte Gershwin im Frack nur einfach gewöhnungsbedürftig. Axel Schock
Heute, 20 Uhr, Grüner Salon, Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz
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