Affenkoteletts und Haferkleie

■ Wer den Marathon geschafft hat, kriegt Energy food bis zum Abwinken

Als der Spanier Anton Abel nach 2 Stunden, 9 Minuten und 15 Sekunden in einem letzten Spurt das Zielband zerreißt, checkt „Verpflegungsleiter“ Kai-Thomas Arndt zum letzten Mal die unzähligen Waschtröge und Babybadewannen aus Plastik, die am Straßenrand des Tauentzien aufgereiht sind. Bis zum Rand sind sie gefüllt mit halbierten Bananen und geviertelten Äpfeln. Riesige Plastikeimer sind voller Wasser, der Feuerwehrschlauch zum Nachfüllen liegt auch griffbereit. Die Pappbecher sind penibel in langen Kolonnen aufgereiht. Eine Papierschneidemaschine zerstückelt im zackigen Tempo Energieriegel mit Wildfrucht- und Cappuccinogeschmack. HelferInnen warten auf die ersten erschöpften LäuferInnen, um sie mit der süßen Powerbar wieder aufzupeppen.

Wasser und Obst – ordinäres „Energy food“ – wird von den TopläuferInnen, die gestern vormittag am 23. Marathonlauf teilnahmen, jedoch meistens verschmäht. Die absolute Spitzenklasse trinke nach dem 42-Kilometer-Lauf eine individuell angerührte Nahrungsmischung, die von den Trainern streng gehütet und von den anwesenden Dopingärzten manchmal unter die Lupe genommen werde, erzählt Arndt.

Das „Fußvolk“ – dieses Jahr waren fast 20.000 MarathonläuferInnen dabei – trifft ungefähr eine halbe Stunde nach Sieger Abel an der Gedächtniskirche ein. Erst tröpfchenweise und dann in Massen belagern sie die „Obststraße“. In weiße Plastikfolien gewickelt, manche mit bleichem, manche mit hochrotem Gesicht, schieben sie sich auf dem Asphalt entlang und kippen sich trotz des kalten Winds immer wieder Wasser ins Gesicht oder in den Rachen. Es riecht nicht mehr nach Bananen, sondern nur noch nach Schweiß: eine leicht stinkende, mittlerweile hinkende Schar auf dem Weg zu den 150 Pritschen, auf denen Masseure die erschlafften Waden durchkneten.

Karl-Heinz Handel, der schon zum fünften Mal mitläuft, hat einen „unendlichen Hunger“. Als ob er zwei Tage nichts gegessen hätte. Er stopft sich mit den Haferkleie- Energieriegeln voll, die ein anderer Läufer „ganz ekelig“ findet: „Die schmecken wie Heu.“ Ein dritter, der noch völlig fit wirkt, verlangt von einer Helferin lautstark „Affenkoteletts“. Bananen. Am Stand mit den Iso-Getränken ist eine Stunde nach Zerreißen des Zielbands die Hölle los. Wie am Fließband kippen die VersorgungshelferInnen das Mineralpulver, das wie Waschmittel riecht und aussieht, in große Tröge, mischen es mit Wasser – fertig ist die Iso-Limo.

Das größte Problem ist nicht, daß auch wirklich alle LäuferInnen „satt“ werden, sondern der Dreck. Deshalb hat Versorgungsleiter Kai-Thomas Arndt seine 150 HelferInnen angemahnt, immer wieder die Schneeschaufeln zum Einsatz zu bringen. Denn auf Bananenschalen kann auch der schnellste Läufer ausrutschen. Julia Naumann