In den Fesseln der Taktik

Beim 1:0 des SC Freiburg gegen Hansa Rostock ließen die ehemaligen Vorwärtsfußballer der Liga allerhöchste Vorsicht walten  ■ Aus Freiburg Ulrich Fuchs

Torhüter Schmadtke hatte einen vergleichsweise beschaulichen Arbeitstag hinter sich gebracht. Und unmittelbar danach präsentierte er dann die tiefenpsychologischen Überlegungen, denen er mangels gegnerischer Torschüsse in den zurückliegenden 90 Minuten in aller Ruhe hatte nachgehen können. „Entscheidend war“, so Freiburgs Goalie, „daß eine Mannschaft auf dem Platz stand, die keine Angst davor hatte, Fehler zu machen.“ In der individuellen Bereitschaft zum furchtlosen Patzer vermutete Schmadtke also den Grund dafür, daß es für die schwer gebeutelten Finke-Zöglinge beim 1:0 gegen Hansa Rostock mal wieder Grund zum Jubel gab. Die feinsinnige Analyse des leidgeprüften Schlußmanns diente dabei keineswegs der Erhellung der schwärzesten Serie in der noch jungen Freiburger Bundesligahistorie, die mit sechs Niederlagen in Folge und beachtlichen 24 Gegentreffern in sieben Spielen zu Buche geschlagen hatte.

„Der Sieg der Freiburger ging natürlich in Ordnung“, resümierte anschließend Rostocks Trainer Frank Pagelsdorf und brachte bei der Suche nach Gründen ebenfalls die Rolle der Furcht ins Spiel. „Viel zu ängstlich“ hätte seine Elf agiert und damit in der Spitze „Jonathan Akpoborie alleine gelassen“. Die Konsequenz des Rostocker Angsthasenfußballs (Pagelsdorf: „Wir hatten keine klaren Chancen“), war Balsam auf Freiburgs Wunden. Das in den vergangenen Wochen vielbespottete Scheunentor der Liga hatte gegen Rostock geschlossen, und Trainer Volker Finke übte sich in „realistischer Zuversicht, daß bald der Anschluß ans untere Mittelfeld geschafft wird“.

Wer der Freiburger Glaubensgemeinschaft angehört, mochte mit dieser hoffnungsvollen Botschaft zufrieden sein. Und nur ein paar sentimentale Gemüter im Stadion spürten, daß die vielen Angstbeschwörungen (Finke: „Mir fällt ein Stein vom Herzen“) beim analytischen Nachgeplänkel auch das Ende eines traurigen Spiels markierten. Immerhin waren an diesem sonnigen Herbstnachmittag zwei Teams aufeinandergetroffen, die in den letzten Jahren die Bastionen des öden Erfolgsfußballs mit furiosem Vorwärtsspiel gestürmt hatten. Grundlage war ein taktisches Konzept, bei dem auch in der Offensive immer versucht wurde, mit Überzahlspiel zum Erfolg zu kommen. Das schnelle Umschalten der Abwehrspieler auf den Angriff und das druckvolle Spiel über die Flügel zählten zum kleinen Einmaleins der mit identischen Lehrplänen arbeitenden Fußballschulen in Rostock und Freiburg. Und jetzt?

Im Gegensatz zur Leverkusen- Partie (3:5) hatte Volker Finke mit Freund und Korell beide Außenbahnen neu besetzt – mit Spielern, deren Stärken in der Defensive liegen. Und schon unter der Woche war der konservativ agierende Manndecker Thomas Rath, der nach langer Verletzungspause ins Team zurückkehrte, als der große Hoffnungsträger gehandelt worden. Nicht weniger bezeichnend hatte Frank Pagelsdorf, den früheren Taktgeber des Rostocker Angriffsspiels, Stefan Beinlich, ins defensive linke Mittelfeld beordert.

Beim gegenseitigen Warten auf den Fehler der anderen dominierte Freiburg zwar eindeutig, aber klare Chancen fehlten bis zur Pause hüben wie drüben. Und satte 31 Minuten dauerte es gar, bis Rostocks Baumgart den Ball erstmals Richtung Freiburger Tor bugsierte. Daß die Fußballästheten dennoch auf ihre Kosten kamen, hatte zwei Gründe. Rostocks Abwehrspieler Beeck patzte so rechtzeitig, daß der daraus resultierende Führungstreffer für Freiburg zur leichten Lockerung der taktischen Bandagen führte.

Grund zwei: Alain Sutter. Beim Konterspiel nach der Freiburger Führung wurde er endgültig zur überragenden Figur auf dem Platz. Ein ums andere Mal umkurvte er die Hansa-Abwehrspieler und bereitete die Chancen vor, die dann auch noch einen weitaus höheren Sieg der Freiburger möglich gemacht hatten. Und schließlich bestärkten auch Stürmer Uwe Spies nach dem Schlußpfiff die Hoffnung, daß der alte Spielwitz wieder auf dem Vormarsch ist. Euphorisiert vom lang entbehrten Erfolg hatte ein glücklicher Lokalreporter gefragt: „Herr Spies, wo siedeln sie die Mannschaft nach diesem Sieg denn an?“ Und nahtlos knüpfte der Angreifer mit seiner Antwort an frühere Leistungen an: „Platz 15“.

Hansa Rostock: Bräutigam - Beeck, Zallmann, Beinlich - Groth (68. März), Hofschneider, Ziemer (46. Micevski), Radwan, Studer - Baumgart (58. Chalaskiewicz), Akpoborie

Zuschauer: 22.500; Tor: 1:0 Buric (58.)

SC Freiburg: Schmadtke - Rath (68. Müller), Heidenreich, Spanring - Korell (80. Neitzel), Zeyer, Buric (84. Marasek), Sutter, Freund - Spies, Decheiver