■ Vorlauf: Guter Versager
„Shannons Spiel“, 1.50 Uhr, RTL 2
Eine Sensation ist es nicht mehr, wenn Kinoregisseure und Leinwandstars dem Fernsehen zuarbeiten. Einer der renommiertesten Grenzgänger ist John Sayles. Seine Reputation erwarb er sich mit anspruchsvollen Independentproduktionen; zuletzt gelangten „City of Hope“ und „Passion Fish“ in die Kinos. Für das Fernsehen schrieb er neben den TV-Movies „A Perfect Match“ und „Todesursache: Agent Orange“ („Unnatural Causes“) die formidable Anwaltsserie „Shannons Spiel“, die derzeit im Programm von RTL 2 zu sehen ist.
Unter seinen früheren Kollegen gilt Jack Shannon als Versager. Desillusioniert hat er seinen Platz im Glaspalast einer noblen Wirtschaftssozietät geräumt; nun haust er in einem verkommenen Bürogebäude, fährt Bus statt BMW und läßt sich von seiner aufgeweckten Tochter das Restaurantessen bezahlen. Unterstützung leistet die gewitzte Sekretärin Lucy, die ohne Bezahlung arbeitet, weil Shannon ihren Freund vor einer langjährigen Haftstrafe bewahrt hat. Seiner früheren Spielsucht wegen steckt der Advokat fortwährend in der Klemme; seine kargen Einkünfte wandern zumeist in die Taschen des schlagkräftigen Eintreibers Wilmer. Wilmer ist im übrigen ein gutmütiger Kerl, der die Abendschule besucht, um seinen Wortschatz zu erweitern. Derartig liebevolle Charakterzeichnungen sind ebenso typisch für „Shannons Spiel“ wie die Vielzahl politischer Themen. Neben Sayles zeichnen anerkannte Kollegen für die Drehbücher verantwortlich, Regisseur der ersten Folgen war Lewis Teague. Den jazzorientierten Soundtrack lieferten Wynton Marsalis, Chick Corea, Dave Grusin und Lee Ritenour. Als Episodengaststars traten bislang unter anderem David Crosby und Iggy Pop in Erscheinung.
Sträflicherweise versteckt RTL2 die Serie im späten Nachtprogramm. Bleibt also nur die Zuhilfenahme des Videorekorders – eine kleine Mühe, die sich lohnt. H.K.
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