Das Portrait: Stalins Spymaster
■ Pawel Sudoplatow
ls „die sensationellste, in vielerlei Hinsicht informativste Autobiographie, die je aus dem stalinistischen Milieu hervorgekommen ist“ bewertete der führende Sowjetologe Robert Conquest die 1994 erschienenen Memoiren von Pawel Anatoljewitsch Sudoplatow. Am vergangenen Samstag wurde Stalins oberster Agentenführer in Moskau beerdigt.
Sudoplatow wird 1907 im ukrainischen Melitopol geboren. Als die konterrevolutionären Weißen 1919 während des Bürgerkriegs Melitopol einnehmen, schließt sich Pawel der Roten Armee an. Dort wird er 1921 Telefonist und Dechiffreur. Der junge Tschekist tippt Lageberichte und dechiffriert Dscherschinskijs Telegramme aus Moskau. Nach verschiedenen Tätigkeiten in der Ukraine – Agentenführer, Kommissar für eine Kolonie obdachloser Kinder – wird Sudoplatow 1933 nach Moskau berufen als Oberinspektor für Personalfragen des sowjetischen Geheimdienstes. Der erste Auslandseinsatz erfolgt 1936 in Nazideutschland. Unter falschem Namen wird Sudoplatow in die OUN eingeschleust, die militante ukrainische Untergrundbewegung. In Leipzig erhält er seine Ausbildung – und quittiert sie mit der Beseitigung des OUN-Führers Konowalecs, dem er 1938 in einem Rotterdamer Restaurant eine als Geschenk verpackte Bombe auf den Tisch legt. Ein Jahr später ist Sudoplatow bereits Chef der Sonderabteilung des Geheimdienstes (NKWD) für Auslandseinsätze. Stalin persönlich erteilt ihm den Auftrag: „Trotzki muß innerhalb eines Jahres, noch vor dem unvermeidlichen Kriegsausbruch, eliminiert werden.“ So geschieht es. Im September 1941 erhält das NKWD Informationen über die westlichen Forschungen, die zur Entwicklung der Atombombe führen. Stalin beauftragt seinen Geheimdienstchef Lawrenti Berija mit der Koordination des russischen militärischen Kernspaltungsprojekts. Die Infiltration des amerikanischen Atomforschungszentrums obliegt Sudoplatow.
Der Fall und Tod Berijas beendet frühzeitig die Karriere des Spions. 1958 wurde er in einem Geheimprozeß zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Erst 1992 wird Stalins Spymaster vom Staatsanwalt der „UdSSR“ als „Opfer politischer Repression“ rehabilitiert. Die Orden für seine Verdienste um die Sowjetmacht werden ihm nicht zurückgegeben. Andrea Goldberg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen