■ Nebensachen aus Johannesburg
: Südafrikas Schönheitskönigin als Kuhkillerin

In der „Regenbogengesellschaft“, so ein weitverbreiteter Mythos im neuen demokratischen Südafrika, tun etwa 42 Millionen Menschen aus 11 verschiedenen Völkern, Kulturen und Religionen das, was sie in 350 Jahren zuvor nicht geschafft haben. Sie leben nunmehr friedlich und politisch korrekt zusammen und sind auf dem Weg zu einer „Winning Nation“. Jegliche langersehnte Teilnahme an internationalen Wettbewerben dient der kollektiven Identitätsfindung – und wehe dem, der durch Zweifel oder Fehlverhalten gegen diesen Kodex verstößt.

Finanzminister Trevor Manuel etwa wurde öffentlich vom Präsidenten gerügt, als er dem neuseeländischen Rugby-Team, das zu Gast bei einem Turnier in Südafrika war, gegenüber der eigenen Mannschaft den Vorzug gab. Das kommt Landesverrat gleich.

Auch einfach nur schön sein ist im neuen Südafrika gar nicht so leicht. Mit diesem Problem muß sich jetzt Peggy-Sue Khumalo herumschlagen. Die im August neugekürte Miß South Africa hat die Ehre, das Land im November im indischen Bangalore bei den Miss-World-Wahlen zu vertreten. Doch jetzt zittert die Nation, ob sie dazu überhaupt geeignet ist, denn die junge Dame kommt seit Wochen aus den Schlagzeilen nicht heraus. Kurz nach ihrer Wahl mußte sie offenbaren, ihre Biographie ein klein wenig geglättet zu haben. Sie ist nicht 21, wie gegenüber der Jury behauptet, sondern 23 – und damit kurz vor der kritischen Altersgrenze, die eine Teilnahme an der Miss- Wahl noch zuläßt.

Außerdem hieß Peggy-Sue nicht immer Khumalo und auch nicht immer Peggy-Sue. Nein, die Berufsschöne trug früher nach ihrem Vater den Familiennamen Erasmus. Dieser typisch burische Name, so hat sie vermutlich gedacht, macht heutzutage keinen guten Eindruck mehr. Khumalo, ein weitverbreiteter Zulu-Name, läßt über die politisch korrekte Herkunft hingegen keinerlei Zweifel aufkommen. Aus Peggy Priscilla Erasmus wurde im ersten Anlauf Peggy Priscilla Khumalo und bei einer erneuten Umbenennung Nonhlanhla Peggy-Sue Khumalo. Mit einer rührseligen Geschichte ihrer Herkunft durfte Miss South Africa schließlich doch noch ihren Titel behalten.

Ihr Vater ist übrigens trotz des Afrikaansen Namens kein Weißer. Doch damit nicht genug. Einen Skandal internationalen Ausmaßes befürchten jetzt Südafrikas militante Tierschützer, denn Miss Khumalo weiß offenbar nicht, daß Kühe in Indien heilig sind. Sollte sie den Miß-Welt- Wettbewerb gewinnen, so hatte Nonhlanhla unvorsichtig erklärt, werde sie einer Sitte ihrer Vorväter nachkommen und rituell eine Ziege und zehn Ochsen schlachten. Die „Liga zur Verhinderung von Grausamkeit gegen Tiere“ ist darüber so empört, daß die Schönheitskönigin am vergangenen Wochenende in Johannesburg einen Wettlauf für Menschen und ihre Haustiere nicht eröffnen durfte. Alle Beteuerungen, den Ausspruch nur metaphorisch gemeint zu haben, halfen da auch nichts mehr.

Der „Kuhkillerin“ wurde auch untersagt, den Dachverband aller südafrikanischen Tierschützer öffentlich in seinem Kampf zu unterstützen. Stein des Anstoßes war angeblich weniger die Tatsache, daß Khumalo überhaupt an das rituelle Schlachten von Tieren denkt, sondern vielmehr die Methode. Noch mehr Sorge machte ihnen aber die Vorstellung, Peggy-Sue könne in Indien zur Tat schreiten. Nicht einmal die Versicherung des höchsten indischen Diplomaten in Pretoria, im Zweifelsfalle hätten die Inder Verständnis für andere Kulturen, konnte die Tierschützer beruhigen. Die Regenbogennation indessen ist um eine Debatte reicher: Ist das Schlachten von Kühen in einer modernen Demokratie politisch korrekt? Kordula Doerfler