Mit dem „Bürgertelefon“ auf Flüchtlingsjagd

■ Die deutsche EU-Ostgrenze bewachen 7.000 Polizisten. Das reicht anscheinend nicht. Jetzt sollen Bürger dem Grenzschutz „verdächtige Bewegungen“ melden

Görlitz (taz) – Analog dem polizeilichen Notruf richtet der Bundesgrenzschutz in den grenznahen Gemeinden Ostdeutschlands ein „Bürgertelefon“ ein. Die ersten Leitungen sind schon geschaltet, informierte der Präsident des Grenzschutzpräsidiums Ost, Bernd Walter, in Görlitz.

Damit sollen alle BürgerInnen entlang der EU-Außengrenze „verdächtige“ Bewegungen sofort „melden“. Denn der BGS werde der grenzüberschreitenden Kriminalität „nur Herr, wenn er umfassend von der Bevölkerung unterstützt wird“, begründete Walter auf einem Sicherheits-Kolloquium des CDU-nahen Bildungswerkes für Kommunalpolitik Sachsen das Behördenprojekt.

An keiner anderen Grenze Europas sind so viele Polizisten – nämlich mehr als 7.000 einschließlich Zöllner – im Einsatz wie an der deutschen EU-Ostgrenze zu Tschechien und Polen. Vier Hubschrauber sind ständig im Einsatz. 1997 sollen die BGS-Einheiten noch einmal um 1.000 Beamte verstärkt werden.

Dieser Tage erst wurden durch BGS, Zoll und Landespolizei in der Neißestadt Hirschfelde 19 Inder und 9 Pakistani aufgegriffen und sofort nach Polen „zurückgeschoben“. Durch „Mithilfe der Bevölkerung“, für die der BGS sich ausdrücklich bedankte, wurden im Raum Dresden 35 Flüchtlinge aus Pakistan, Indien und Afghanistan gefaßt. Meldungen dieser Art gibt es in der sächsischen Presse fast täglich zu lesen.

Der Präsident beklagte den „Zustrom“ von Flüchtlingen, Drogendealern, Schleppern, pauschal als „ständige Zunahme der grenzüberschreitenden Kriminalität“. „In fast jedem“ grenznahen Ort sollen „kleinere kriminelle Gruppen“ und Diebesbanden mit einem Wirkungsradius von 50 Kilometern agieren. Das Diebesgut seien „Waren des täglichen Gebrauchs“. An der tschechischen E-55 zwischen Zinnwald und Teplice, dem „längsten Straßenstrich Europas“, fänden sich „Ansprechpartner für jede Art von Kriminalität.“

Während der Bundesgrenzschutz die BürgerInnen ans Telefonieren gewöhnt, schreiten Freiwillige in der nordsächsischen Grenzstadt Bad Muskau direkt zur Tat. Dort gehen Anwohner der an der Neiße-Grenze gelegenen Wohnsiedlungen allnächtlich auf Streife. 45 Männer teilen sich dort die Schichten.

Diese „Freiwilligen“ wollen jetzt ihre „Beobachtungstechnik“ aufrüsten, kündigte der Team- Koordinator an. Er habe schon Versicherungen um finanzielle Untersützung angeschrieben. Denn: „Seit wir laufen, sind bei uns Einbrüche und Autodiebstähle Geschichte“. Detlef Krell