■ Heute ist Tag des Flüchtlings, und die Bosnier sollen zurück
: Populismus ohne Pöbel

Weswegen geben sich die deutschen Innenminister eigentlich so betont unbarmherzig gegenüber den bosnischen Flüchtlingen? Weshalb beharren sie so prinzipientreu auf der „Rückführung“ ab 1.Oktober, obwohl sie dafür heftige Kritik der UN-Flüchtlingsorganisation und vieler anderer Hilfsprojekte in Kauf nehmen? Rational erklärbar ist diese Politik nicht mehr. Sie ist unmenschlich und kontraproduktiv, niemand profitiert davon, kaum eine müde Mark wird dadurch gespart, kein kommunaler Haushalt wird dadurch nennenswert entlastet.

Umfragen unter den hier lebenden Flüchtlingen ergaben, daß die übergroße Mehrheit sofort zurückkehren würde – wenn sie könnte. Aber sie kann nicht. Zwei Drittel der hier lebenden BosnierInnen sind MuslimInnen oder KroatInnen aus serbisch besetzten Gebieten. Sie dürfen, wenn die vorgeschriebene Einzelfallprüfung korrekt erfolgt, bislang nicht abgeschoben werden, ebensowenig wie Familien mit Kindern oder Vergewaltigte und Traumatisierte. Akut betroffen ist also nur eine kleine bis sehr kleine Gruppe. Die Rückkehrraten sind auf diese Weise nicht hochzutreiben, wohl aber die Behandlungskosten und Suizidraten. Denn wer schwer traumatisierten Menschen ständig mit Zwangsabschiebung im Ohr liegt, nimmt Panikattacken und Retraumatisierungen in Kauf.

Cui bono? Wem nützt's? Rechte Wählerschichten und Stammtische wollen bedient werden, mutmaßten manche Kommentatoren. Doch in diesem Land ist offenbar keine antibosnische Massenstimmung zu erzeugen, trotz der unendlichen Versuche von CSU- Entwicklungsminister Spranger („Die Bosnier müssen so schnell wie möglich in ihre Heimat zurückkehren“) über den Berliner Innensenator Jörg Schönbohm („Sie sollen in Bosnien Hand anlegen, statt hier die Hand aufzuhalten“) bis Bild („bosnische Sozialhilfebetrüger“). Ganz im Gegenteil: Keine andere Bevölkerungsgruppe hat in Deutschland so viel Hilfsbereitschaft erfahren wie die BosnierInnen. Während im Kriegsgebiet die „ethnischen Säuberungen“ tobten, türmten sich hierzulande Spendenberge in den Flüchtlingsunterkünften. In keinem anderen Land wurden so viele Initiativen und Hilfsprojekte für die Kriegsopfer gegründet – ein kleines Wunder angesichts der vielzitierten deutschen Kälte. Vielleicht erinnern sich die Älteren noch recht genau daran, was es heißt, einen Krieg zu erleben, und die Jüngeren sind eh ein bißchen progressiver eingestellt.

Warum also dieser Populismus ohne Volk? Wahrscheinlich handelt es sich um eine fiese Abart der deutschen Prinzipienreiterei: Wir machen das so, weil wir das halt so machen. Ute Scheub