Kein Geld mehr

■ Berliner Gedenkbibliothek hat gegen das Haushaltsrecht verstoßen

Berlin (taz) – Die Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus, deren Geschäftsführerin Ursula Popiolek seit 1991 die Haftentschädigung einer KZ-Wärterin betrieben hatte (die taz hat mehrmals darüber berichtet), erhält keine öffentliche Förderung mehr. „Eine Weiterführung der Gedenkbibliothek in der bisherigen Form ist nicht zu vertreten“, heißt es in einem Bericht des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit, Martin Gutzeit, an das Berliner Abgeordnetenhaus.

Gutzeit, der im Auftrag des Kultursenators die Gelder vergibt, begründete die Streichung der Gelder mit „mehreren Verstößen“ gegen die Landeshaushaltsordnung. So habe der Verein die Mittel für einen Pressesprecher einbehalten, obwohl diesem bereits gekündigt worden war.

Der Verein, der nach der Wende von DDR-Bürgerrechtlern gegründet worden war, um eine Auseinandersetzung mit dem DDR-Unrecht zu führen, hatte sich im Zuge der erbitterten Auseinandersetzungen um die Entschädigung der KZ-Wärterin Margot Pietzner gespalten.

Zahlreiche Gründungsmitglieder, darunter Bärbel Bohley, Jürgen Fuchs und Katja Havemann, verließen den Verein, der in den Jahren mehr und mehr zum Sammlungsort konservativer Kreise geworden war. Deshalb begründet der Stasi-Landesbeauftragte Martin Gutzeit die Streichung der jährlichen Fördermittel von 125.000 Mark auch damit, daß es sich bei der Gedenkbibliothek in ihrem jetzigen Zustand nicht mehr um den Verein handele, dem die Gelder wegen seiner pluralistischen Zusammensetzung zugesprochen worden seien.

Die in Berlin-Mitte beheimatete Bibliothek mit 4.900 Büchern sei keineswegs einzigartig, schreibt Gutzeit in einem Bericht an das Berliner Abgeordnetenhaus. Mit Ausnahme der Sammlung nicht veröffentlicher Zeitzeugenberichte sei der überwiegende Teil der Literatur auch in unmittelbarer Umgebung, zum Beispiel in der Universitätsbibliothek der Humboldt-Uni, zugänglich.

Allerdings hält Gutzeit die Weiterführung der Diskussionsveranstaltungen zur Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit für wünschenswert, allerdings unter einem anderen Träger. „Im Sinne einer politisch ausgewogenen Gestaltung“ schlägt Gutzeit eine Zusammenarbeit verschiedener Veranstalter, wie dem Bürgerkomitee 15.Januar, der Robert-Havemann- Gesellschaft, dem Haus am Checkpoint Charlie, der Astak und der Gedenkstätte Hohenschönhausen, vor. Dorothee Winden