Auf Du und Du mit dem Sozialplan
: Staat will Abfindungen vergreifen

■ Direkte Anrechnung verringert Arbeitslosengeld

Nicht genug damit, daß viele Arbeiter sich mit gekürzten Lohnfortzahlungen u.ä. abfinden müssen – diejenigen, die entlassen werden oder in den Vorruhestand gehen, sollen jetzt auch noch einen Teil ihrer Abfindungen rausrücken. So sieht es der Entwurf der Bundesregierung für die Neuordnung des Arbeitsförderungsgesetzes ab 1.1.1997 vor.

Neben der Verschärfung der Zumutbarkeitsregelung (Arbeitslose müssen nach sechs Monaten Billigarbeit annehmen), der Kürzung der Arbeitslosengeld-Anspruchsdauer (für ältere Arbeitslose) ist dies ein weiterer Versuch, den Bundeshaushalt „auf Kosten derer, die sich nicht wehren können zu sanieren“, so die DGB-Kreisvorsitzende Helga Ziegert.

Beispiel: Ein 55jähriger Arbeiter wird entlassen. Bei einem Bruttoeinkommen von 5.000 Mark bleiben ihm ca. 3.200 Mark Arbeitslosengeld im Monat. Er bekommt, im Rahmen einer „sozialverträglichen Lösung“ von seinem Arbeitgeber 50.000 DM als Abfindung. Die durfte er bisher als Hilfe zur Existenzssicherung behalten.

Wenn die Regierungspläne umgesetzt werden, heißt das für ihn: Nach Abzug eines Freibetrages wird die Abfindung so auf sein Arbeitslosengeld angerechnet, daß lediglich die Hälfte (1.600 DM) übrig bleibt. „Hier findet eine Enteignung statt“, schimpft Helga Ziegert. „Schließlich ist das Arbeitslosengeld eine Versicherungsleistung, die man sich erarbeitet hat.“

An Abfindungen dürfe sich der Staat ebensowenig vergreifen wie anGespartem.

Für Arbeitslose über 50 wird sich die finanzielle Lage dramatisch verschärfen, da sie auf dem Arbeitsmarkt als „nicht vermittelbar“ gelten und sie lediglich zwei Jahre lang Arbeitslosengeld bekommen. Die Zeit bis zur Rente muß „irgendwie“ überbrückt werden. Für ArbeitnehmerInnen mit niedrigem Bruttoeinkommen ist der Weg in die Sozialhilfe vorprogrammiert.

Der Vorsitzende des Betriebsrates von Daimler Benz Aerospace Airbus, Uwe Neuhaus, ist sauer. Bisher konnte er den Personalabbau relativ human gestalten und für ältere Kollegen soziale Vorruhestandslösungen mit Abfindungen aushandeln. „Die neuen Regelungen binden uns die Hände. Die Älteren bleiben zu Recht auf ihren Arbeitsplätzen sitzen. Trotzdem geht der Personalabbau weiter, da fliegen dann zuerst die Jüngeren raus, die haben die kürzeste Betriebszugehörigkeit.“ Unter den ArbeiterInnen greifen Ohnmachtsgefühle und ein „Industrie-Chauvinismus“ um sich, so die Beobachtung von Neuhaus. „Da heißt es, daß die Kranken, AusländerInnen und Behinderten zuerst gehen sollen.“

Mit den beabsichtigten Einschnitten ins Sozialpaket dürften die Arbeitgeber mehr als zufrieden sein. Die Abfindungsregelung jedoch ist ihnen, ebenso wie den Gewerkschaften, ein Dorn im Auge, wenn auch aus anderen Motiven.

Die Unternehmen haben kein Interesse an der Überalterung ihrer Belegschaft und fürchten um ihre internationale Konkurrenzfähigkeit. Ziegert hofft, daß dieses Zweckbündnis mit der Arbeitgeberseite in Bonn Wirkung zeigt.

Die Zeit drängt. Doch die Gewerkschaften, so scheint es, verharren in Fragen der Arbeitsförderung immer noch in der Defensive. hof