Einheitszapping
: Das Deutschlandfest

■ Einigkeit und Recht und Fernsehen

Eigentlich sollte man am sogenannten Tag der deutschen Einheit irgendwas machen, das garantiert nichts mit Deutschland und seinem „Fest“ zu tun hat. Aber andererseits könnte man doch mal gucken, wie das im Fernsehen so aussieht. Und so zappe ich mich am 3. Oktober durch das, was sich Volker Hassemers PR-Firma „Partner für Berlin“ als Nationalfeiertags- Euphorie-Simulation hat einfallen lassen. Dabei fand die „zentrale Feier“ mit Politikerbeteiligung in München statt. Irgendwie hätte das auch genügt.

Denn eigentlich gibt's ja nichts zu feiern: Gerade stand in der Zeitung, daß ein(e) West- BerlinerIn statistisch gesehen eher eine(n) AusländerIn als eine(n) Ost-BerlinerIn heiratet, und dann auch noch die Sache mit dem Sozialabbau. Und schon die ersten ZDF-Luftaufnahmen zeigen, daß in dem Land, „das wir alle sind“, wie das Umzugsmotto heißt, keiner so richtig Lust auf Nationalparty hat. Die selbstorganisierte Loveparade war ein echter Massenauflauf in Berlin-Mitte, aber hier verlieren sich Festzug und Publikum ein wenig im Tiergarten. So sieht es aus, wenn man dem Volk ein Fest aufzwingt.

„Jetzt zieht zusammen, was zusammen gehört“, kalauert die Moderatorin noch, und dann rollt heran, was Deutschland nach Ansicht der Veranstalter ist: Vornweg eine verkrampft lächelnde Miss Brandenburg, dann die Kinderclownschule Potsdam, Gotthilf-Fischer, das Sekt- und Biedermeierfest Eltville, die Teutonenhouse- Combo Captain Jack und der Gutlacher Trachtenverein, der schon bei der Olympiade 1936 dabei war, wie uns ein kommentierender Blondinenwitz namens Elke Schneiderwange (oder so ähnlich) mitteilt.

Mal gucken, was sonst so im Fernsehen läuft (Zap!). In der Reportage „Unter Deutschen“ im Ersten sehen wir den offenbar kürzlich eingebürgerten Michael Jackson bei einem Konzert in Prag, ansonsten gibt's Tierfilme (Zap!), Tierfilme (Zap!) und als Lichtblick auf N3 Jerry Lewis (Zap!).

Zurück beim ZDF (Zap!) und beim Deutschlandfest am Brandenburger Tor nimmt die miefige Parade kein Ende. Auch der Volleyballverein ASV Dachau hat den Weg nach Berlin gefunden, „der Odenwald ist mit 65 Personen und Pferden angerückt“, und die freiwillige Feuerwehr der Stadt Bopfingen ist auch da. Sogar die Sorben marschieren an den Rohbauten am Leipziger Platz vorbei. Türken, Italiener oder andere Ausländer, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben, sind nicht vertreten.

Dafür gibt es einen „Außenreporter“ mit Namen Türk, der durch den Festzug springt. Der singt mit Gotthilf Fischer, küßt Mainzer Narrhalesen und verbreitet flächendeckend Frohsinn. Wie ein Ethnologe entlockt er den Ziehenden sogar interessante Informationen über schöne deutsche Traditionen: Die Ketten der Friesinnen sind aus Mitbringseln ihrer seefahrenden Männer gemacht, und aus Baden-Württemberg kommen zwei Drittel des deutschen Weins. So, so.

Weil für so einen Quatsch zum Glück mal keine Steuern verbraten werden, sind viele Wagen von Unternehmen gesponsert, weshalb der Kommentar manchmal stark ins PR- mäßige lappt („In Bremen kennt man sich aus mit Kaffee“). Vor jedem Zugteil fährt ein Wagen der Bundespost, und aus Wandlitz kommt ein Dreirad mit Allradantrieb. Die Thüringer Delegation hat Gartenzwerge mitgebracht, die Schleswiger sind als Wickinger verkleidet, und – ohmeingott – da ist ja Juppi von der Ufa-Fabrik!!!

In Berlin ist erstklassiges Wetter, wie man mir aus dem Fernseher ununterbrochen versichert. Ich warte trotzdem, bis die Luft rein ist. Tilman Baumgärtel