„Eine Zeitbombe tickt“

■ Nur durch eine grundlegende Reform des Beamtenrechts können künftig Einsparungen erreicht werden

Was nun Gewißheit ist – Bild ahnte es bereits: „Die Beamten werden unbezahlbar“, titelte das Blatt Anfang August. Bereits zuvor wußte die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis, daß hinter dem schläfrigen Titel Versorgungsbericht „eine Zeitbombe“ tickt. Deren Sprengkraft ist nicht nur „sagenhaft“, wie der hessische Landesrechnungshof konstatierte, sondern flächendekkend. Sämtliche Bundesländer rechnen mit exorbitanten Ausgabensteigerungen, sollte die Beamtenschaft in den hergekommenen Bahnen verlaufen.

Nordrhein-Westfalen erwartet, daß seine Ausgaben für die Pensionäre von 5,4 Milliarden Mark in 1995 auf 12,5 Milliarden Mark in 2020 steigen werden. In Baden- Württemberg ist der gleiche Trend zu vermelden: von 3 Milliarden auf 14 Milliarden. Vergleichsweise niedlich nehmen sich demgegenüber die entsprechenden Haushaltsposten in den neuen Bundesländern aus: knapp 2 Millionen Mark zahlt Brandenburg, in Sachsen sind es 4. Um so orbitanter sind allerdings die Steigerungsraten: In Sachsen wird der Pensionsetat im Jahr 2005 bei 66 Millionen Mark liegen, zehn Jahre später wird man in Brandenburg bereits 157 Millionen Mark zahlen. „Dieser Dynamik“, resümiert Bayerns Finanzminister Erwin Huber, „sind unsere Haushalte nicht gewachsen“.

Deshalb haben Länder wie Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz bereits Pensionsfonds eingeführt. Darin sollen – einem Modell zufolge – 25 Prozent des Gehalts der frisch Verbeamteten einfließen. Der vorrangie Effekt liegt allerdings eher in der Haushaltsklarheit als in der Einsparung.

Auf ihrem weiteren Weg der Einsparung tun sich die Länder schwerer. Die Heraufsetzung der Pensionierungsgrenze zwecks momentaner Entlastung bei der Altersversorgung, steht der üblichen Sparpraxis der Länder entgegen. Denn die sehen in der vorfristigen Verabschiedung von Beamten, dem sogenannten goldenen Handschlag, eine Möglichkeit ihre Personalhaushalte zu entlasten.

Will man ans Eingemachte, die Besitzstände der Beamten, muß man an das Grundgesetz ändern. Im Artikel 33 sind die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ festgeschrieben. Diese müßten über Bord geworfen werden, wollte man etwa das Ruhegeld bei Beamten wie bei jedem Rentner nach dem durchschnittlichen Lebensarbeitseinkommen berechnen und nicht wie bislang nach dem letzten Gehalt. Zur Zeit erhält ein Beamter des einfachen Dienstes durchschnittlich 2.078 Mark, ein Arbeiter hingegen 1.054 Mark.

Eine Verfassungsänderung und damit eine „grundlegende Reform“, fordert der Vorsitzende des Steuerzahlerbundeskl, Karl-Heinz Däke. Deren Ziel definiert der Kölner Soziologieprofessor Erwin K. Scheuch: „Nur Leute, die mir als Bürger weh tun, also mit Geld wegnehmen oder mich ins Gefängnis stecken können, sollten Beamte sein.“ Künftig also nur noch Justiz-, Polizei und Finanzbeamte? Mit der Reduzierung auf diese hoheitlichen Aufgaben wäre allerdings eine weitere Bombe gelegt: Mitten in die Reihe der Verbandsfunktionäre und der Beamtenlobby in den Parteien. dr