Ironie auf Sperrholz

■ Das Münchner Haus der Kunst zeigt eine runde Werkschau des kregelen Beuys-Schülers und Farbanalytikers Imi Knoebel

Als Düsseldorfer Jungstudent war Knoebel seiner Sache unsicher. Er traute sich nicht, dem verehrten Meister Beuys Arbeitsproben zu zeigen. Beuys nahm ihn trotzdem unter seine Fittiche, und Knoebels Selbstvertrauen wuchs entsprechend. Schließlich fand er zu einer einzigartigen Arbeitsweise, die sogar in der gegenwärtigen Inflation konkreter Kunst auffällt. Knoebels Werk ist noch konkreter.

Seine Materialien sind von fast penetranter Schlichtheit. Mit Vorliebe verwendet Knoebel Sperrholz und Hartfaserplatten. Seine Farbpalette erinnert an Resopal- Beschichtungen. Knoebels künstlerische Prägung datiert erkennbar aus den 60er Jahren. Die begannen für ihn 1964, mit seinem Umzug nach Düsseldorf. Eine symbiotische Freundschaft verband dort auch Klaus Wolf Knoebel mit Rainer Giese. Als Imi + Imi landeten sie 1965 in Beuys' Akademie- Klasse; zu ihren Kommilitonen gehörten Blinky Palermo und Jörg Immendorff. Beuys und sein Umfeld wirbelten in jener Zeit die etablierte Kunstszene durcheinander; Imi + Imi experimentierten und machten Entdeckungen, unter anderem den Suprematismus. Die Beschäftigung mit dieser radikalen abstrakten Malerei kontrastiert scharf mit dem in Düsseldorf ausgeprägten konzeptuellen Ansatz. Knoebel verlor beide Wege bis heute nie aus den Augen. Von der ersten Imi + Imi-Ausstellung bis zur aktuellen Werkschau – die keine historisierende Retrospektive ist – wurde nicht nur das einzelne Objekt ausgestellt, sondern auch der Raum thematisiert, in dem es hing oder stand.

In München sind konzeptuelle Arbeiten nicht zu sehen, weder die „250.000 Zeichnungen“ noch der „Sternenhimmel“. Aus dem Frühwerk erlebt einzig der „Raum 19“ ein Revival. In einem Kabinett drängen sich die Elemente zusammen: möbelähnliche Gebilde mit Hartfaserverkleidung und Keilrahmen unterschiedlicher Größe. Das Idealatelier des Idealkünstlers steht zum Umzug bereit. Es ist kein Zufall, daß der Werktitel identisch ist mit dem Atelierraum von Imi + Imi in der Düsseldorfer Akademie. Es schimmert ein modernes Sturm-und-Drang-Pathos durch die Hartfaser hindurch.

Ganz ungeniert adaptiert Knoebel Vorbilder. Ein schwarzes Kreuz (1968) huldigt Malewitsch. In vielen Gemälden läßt Knoebel die Ästhetik des „De Stijl“ wiederaufleben. Einige Arbeiten beziehen sich dagegen auf Barnett Newman. Trotzdem ist Knoebel kein Eklektiker, weil er kein Erfolgsrezept der Vergangenheit wiederholt, sondern mit ästhetischen Ideen spielt. Er faßt sie in Serien zusammen, die „Jena“-Bilder etwa oder die „Din“-Serie. Zu ihr gehören kleine Tafeln, die von ihrer Größe und Strenge an Jawlenskys Meditationen erinnern. Das Grundmuster aus einer zentralen Fläche und vertikalen und horizontalen Randleisten wird vielfach variiert, ebenso die Farbkompositionen aus reinen, kräftigen Farben. Im Unterschied zu Jawlensky vermeidet Knoebel aber die „Handschrift“ und das transzendente Moment der Meditationen.

Der nach dem Ort der ursprünglichen Installation so genannte „Genter Raum“, erstmals 1980 ausgestellt, wirkt wie eine Selbstdefinition von Knoebels künstlerischer Identität. Farbig lackierte Platten sind übereinandergeschichtet. Hinter diesen geordneten Stapeln liegen chaotische Haufen zersägter Platten. An der Wand wiederum hängen in strenger Reihung in verschiedenen Farben lackierte Platten desselben Einheitsmaßes wie die der Stapel. Sie sind austauschbar. Der „Genter Raum“ vereinigt somit das energetische Moment der möglichen Veränderung mit dem Angebot des reinen Sehens. Im gleichen Saal finden sich Objekte aus Fundstücken. Knoebels Geschick, sie zur Unkenntlichkeit zu verfremden beeindruckt: Fragmente eines Treppengeländers der Nachkriegsmoderne arrangiert er zu einem graphischen Relief. Mit Beuys teilt er den Sinn für die Erzeugung von Objektenergie, aber er vermeidet die symbolische Befrachtung seiner Werke.

Knoebels Malweise ist mit ihrer industriellen Glätte darauf angelegt, bestimmte Assoziationen zu vermeiden, um eine möglichst offene Wahrnehmung zu erlauben. Fast anekdotisch wirkt noch „Vincent's Ohr“ (1976), ein Diptychon, bei dem einer beinahe rechteckigen Tafel eine zweite anhängt, wie eine Ohrmuschel. Da beginnt der Tiefsinn zu schürfen, ausgehend vom Biographischen und weiter zum Problem von Form und Farbe. Letztendlich ist das Gebilde aber schlicht frech und witzig. Bildtitel jüngeren Datums wie „Grace Kelly“ oder die Namen von Raumschiffen dagegen sind gänzlich willkürlich, wenn nicht die Bonbonfarben der „Kelly“-Bilder mit Biegen und Brechen auf die Heile- Welt-Optik der Klatschpresse bezogen werden. Naiv wäre es wiederum, die Wirkung der Farben in ästhetische Abstraktion wegzudeuten. Offensichtlich kommt Knoebel gut an beim Publikum. Die farbigen Arbeiten sind klar und frisch und teilweise heiter. Sie helfen die Last der schwerblütigen Monumentalwerke zu verkraften, kolossale Möbel aus Hartfaser in stumpfem Braun. Ihre Wucht hat er auch in Malerei umgesetzt, wie die „Schlacht IV“ (1991) beweist, Knoebels Antwort auf Anselm Kiefers Heimaterdenbilder.

Aus den 60er Jahren hat Knoebel seine Materialästhetik in die Gegenwart mitgebracht. Heute hat die künstlich hervorgerufene Fallhöhe von erhabener Reinheit der Malerei auf billigem Grund zwar ihren Schrecken eingebüßt, nicht aber ihren Sinn verloren. Christoph Danelzik-Brüggemann

Bis 20. Oktober; Katalog 59 DM.

Weitere Stationen: Stedelijk-Museum Amsterdam (16. 11. 96 – 19. 1. 97), Valencia, Kunsthalle Düsseldorf (Sommer 1997), Grenoble