Knebel für Arbeitslose

■ Großbritannien verschärft die Bedingungen für Arbeitslosengeld

London (taz) – In Großbritannien gibt es kein automatisches Anrecht auf Arbeitslosenunterstützung mehr. Nach einem neuen Gesetz, das heute in Kraft tritt, wird das Arbeitslosengeld durch eine sogenannte „Hilfe zur Arbeitssuche“ (Jobseeker's Allowance – JSA) ersetzt, die unter Auflagen gezahlt wird und nur noch höchstens sechs statt bisher zwölf Monate lang bezogen werden kann.

Um die JSA zu bekommen, müssen Arbeitslose sich einer intensiven Beratung unterwerfen und sich verpflichten, ständig aktiv nach Arbeit zu suchen und die Empfehlungen ihrer Arbeitsamtsberater zu erfüllen. Sie müssen dem Arbeitsamt vorab wöchentlich melden, welche Schritte zur Arbeitssuche sie zu unternehmen gedenken, und alle vierzehn Tage zum Interview erscheinen, um nachzuweisen, daß sie das auch gemacht haben. Die Berater können die Zahlung der Leistung einstellen, wenn Arbeitslose ihre Verpflichtungen nicht erfüllen und sich bei der Arbeitssuche nicht genug anstrengen. Dies kann, so schreibt der Sozialexperte Nicholas Timmins in der Financial Times, sich sogar auf die Frage der angemessenen Kleidung und Frisur erstrecken. Nach dreizehn Wochen sind Berater berechtigt, die Arbeitslosen zur Annahme jedes angebotenen Jobs zu verpflichten.

Die JSA-Gesetzgebung ist möglicherweise erst der Anfang einer umfassenden Sozialreform nach US-amerikanischem Muster. In zwei englischen Städten laufen bereits Pilotprojekte, wonach Langzeitarbeitslose dreizehn Wochen lang intensiv betreut werden und, wenn sie dann immer noch arbeitslos sind, gemeinnützige Arbeit leisten müssen. Dafür erhalten sie ihr Arbeitslosengeld weiter und einen staatlichen Zuschuß von wöchentlich umgerechnet 24 Mark. Es wird erwartet, daß Arbeitsministerin Gillian Shepherd auf dem morgen beginnenden Parteitag der regierenden Konservativen eine Ausweitung dieser Pilotprojekte zu einem landesweiten Programm namens „Vertrag für Arbeit“ ankündigen wird.

Wer hofft, ein Sieg der Labour- Opposition bei den anstehenden Wahlen werde diese Planungen zunichte machen, muß nach dem Labour-Parteitag der letzten Woche enttäuscht sein. Anträge der Basis zur Abschaffung des JSA-Gesetzes wies die Parteiführung zurück – eine Labour-Regierung wird die JSA lediglich „überprüfen“. Und es ist explizit Teil des Labour- Programms, Sozialleistungen an Arbeitslose nicht mehr ohne Gegenleistung zu zahlen. Dies entspricht genau der Philosophie, die die Konservativen jetzt mit dem JSA-Gesetz in die Praxis umgesetzt haben. Dominic Johnson