Wenn Türken hier sterben

■ Über islamische Bestattungen - Fotoausstellung für deutsche MitbürgerInnen

Taliban-Milizen, algerische Fundamentalisten und bosnische Frauen - Muslime sterben scheinbar spektakulär im medialen Zeitalter. Aber wie sterben sie alltäglich und unspektakulär? Wie ganz in unserer Nähe, mitten im christlichen Kulturkreis? Für die türkischen MitbürgerInnen schlummert da ein erhebliches Problem.

Dokumente der islamischen Bestattungskultur in Deutschland stellt das Staatsarchiv Bremen jetzt unter dem Titel „Nach Mekka gewandt“ aus. Utensilien zur Balsamierung der Leiche gehören dazu, ein versiegelter Sarg samt seinem surenbestickten, grünen Deckeltuch sowie einige kleine Grabsteine, ziseliert mit leuchtend-roten Mondsicheln. Der Rest der Ausstellung ist weniger zum Greifen als zum Begreifen: Eine Serie großflächiger Schwarz-Weiß-Fotos beschreibt die einzelnen Stationen der traditionell-türkischen Bestattung von der Totenwaschung bis zum Leichenzug. Im oben/unten Vergleich kontrastieren die Aufnahmen die verschiedenen Entwicklungen dieses Brauches in seinem Herkunftsland und im deutschen Exil.

Genau auf diese Unterschiede kommt es an. „Wenn wir nicht die Möglichkeit haben, in Deutschland unsere Verstorbenen entsprechend unserer Tradition zu begraben, dann werden wir hier nie heimisch werden“, mahnte M. Salim Abdullah, der Direktor des Islam-Archivs-Deutschlands, gestern zur Eröffnung. Jährlich würden mehr als 3.000 in Deutschland verstorbener Türken zurück in deren Heimat geflogen. Der Hauptgrund: Das deutsche Bestattungsrecht entspricht nicht der muslimischen Vorstellung von der Seelengemeinschaft der Gläubigen. Unter den jüngeren Generationen würden die meisten aber lieber hier begraben werden; sie spürten ihre türkischen Wurzeln weniger als ihre deutschen, so Abdullah. „Bei den Toten sollte man nicht mehr nach dem Ausländerrecht fragen, sondern nach dem Heimatrecht.“

Was unterscheidet die islamische Bestattung von der christlichen? Zunächst müssen Angehörige die Leiche des Verstorbenen rituell mehrmals waschen; dafür fehlen den meisten deutschen Friedhöfen aber die Räumlichkeiten. Sodann wollen die Muslime nicht willkürlich in der Erde begraben werden. „Das Grab ist Ort der Verkündigung. Die Gläubigen sollen nach Mekka blicken, wenn sie aus ihrer Ruhe auferstehen“, erklärt Abdullah. Schließlich kennt, ja duldet das türkische Brauchtum weder beamtete Sargträger noch Totengräber. So zeigt das Foto „türkische Bestattungsszene in Deutschland“ den muslimischen Traueranhang beim Grabausheben, während die Friedhofsmitarbeiter unbeholfen im Hintergrund stehen. Dabei sein müssen sie aber, so will es das Gesetz.

Auf 22 Friedhöfen in Deutschland können muslimische Türken einigermaßen traditionsgemäß beigesetzt werden. Auch der Osterholzer Friedhof in Bremen beherbergt einige islamische Gräber. Viele sind es freilich nicht; „etwa 50“, schätzt Mehmet Kilinc, Leiter der Bremer Außenstelle des Islam-Archivs. Ausländerbeauftragte Dagmar Lill sicherte Bremens Muslimen bei der Ausstellungseröffnung ein neues Grabfeld auf dem Osterholzer Friedhof zu. Ein Arbeitskreis mit MigrantInnen aus islamischen Ländern bespreche detailliertere Anliegen, etwa die Totenpflege oder die Grabgestaltung.

An einen muslimischen Friedhof denkt man aber noch nicht. Der bislang einzige in Deutschland befindet sich in Berlin. Seit 1798 erinnert er an das Blutopfer der Türken an der Seite Preußens in den Schlesischen Kriegen. ahm

Die Ausstellung „Nach Mekka gewandt“, eine Leihgabe des Museums für Sepulkralkunst Bremen, ist bis 1. November im Bremer Staatsarchiv zu sehen, dienstags und mittwochs 9-16 Uhr, donnerstags 9-20 Uhr und freitags 9-15 Uhr. Vom 6. bis 18.11. wird die Ausstellung in der Arbeiterkammer Bremen zu sehen sein.