■ LOOPBACK
: Lamento aus Halle 4

Eigentlich vermietet sie ja keine Zimmer, sagt die alte Lady, die ihre riesige Villa in einem noblen Frankfurter Vorort ganz allein bewohnt. Schließlich kann sie ja keine Fremden ins Haus lassen. Aber so einen Schriftsteller zur Buchmesse, den nimmt sie schon mal. Auf ihrer Zwölfmeterterrasse, zwischen Kastanien und Weiden, haben schon sehr berühmte Leute gesessen und sich vom Messestreß erholt.

Und stressig ist sie, die Buchmesse, besonders für Autoren – auch wenn diesmal der Andrang nicht ganz so groß war. Der Bereich „Multimedia“ wurde komplett auf zwei Etagen der ungemütlichen Halle 4 verteilt, zwischen Wissenschaft und anspruchsvoller Belletristik. Damit hat nun endlich die unsägliche Diskussion darüber ein Ende, ob die CD-ROM dem gedruckten Buch überlegen sei.

Und – Irland hin, Friedenspreis her – „Multimedia“ und „Internet“ waren die heimlichen Schwerpunkte der Buchmesse, obwohl kaum eine Buchhändler- und Verlegerseele diese Begriffe richtig unterscheiden kann. Deshalb noch einmal gaaaanz einfach: Multimedia ist das mit der CD- ROM, Internet das mit dem Modem. Das verbindende Element ist „interaktiv“, weil anklickbar. Daran kam in Halle 4 niemand

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Eine Atmosphäre wie auf der Cebit. Ich hatte Mühe, unter all dem Geschrei sinnvolle Multimedia-Produkte zu finden, etwa die CD des Spätdadaisten Ernst Jandl (Ottos Mops trotzt). Buchmesse und Cebit unterscheiden sich darin, daß man auf der einen damit rechnen darf, halbwegs intelligente Menschen zu treffen. Das war auch diesmal so, wenngleich ich auch damit meine Mühe hatte. Kaum ein Verlag, der nicht mindestens eine Multimedia-CD anpreist – auch wenn sie noch so hirnrissig ist. Das war keineswegs auf Halle 4 beschränkt. Im Internet waren deutsche Buchverlage schon immer etwas zurückhaltend. Doch zur Messe haben viele noch hastig eine Homepage zusammengestrickt. Nicht etwa mit den Neuerscheinungen im Volltext, nein, mit bunten Bildchen, Buchumschlägen und vielleicht ein paar Textauszügen.

Wann kapieren die endlich, daß sie kein einziges Buch weniger verkaufen, wenn sie es in voller Länge zugänglich machen? Und wann schickt der Börsenverein des Buchhandels die Multimedia-Schreihälse wieder dorthin, wo sie hingehören, nämlich zur Cebit? Dann wäre der Blick wieder frei für die Buchmesse, und die alte Lady müßte sich ihre Gäste auch nicht mehr ganz so genau anschauen.