Wenig Gewürze, aber viel Speisefarbe

■ „Was ihr wollt“ im Schauspielhaus und „Nächte mit Joan“ in den Kammerspielen vermackelt

Was ihr wollt

Jedes gute Restaurant braucht ein Gericht, daß immer nicht schmeckt. Im Schauspielhaus ist es Shakespeare, der stets verkocht wird. Von Leander Haussmanns Troilus und Cressida-Inszenierung über Jossi Wielers Wintermärchen bis zum dritten Auflauf mit Was ihr wollt in der Regie von Karin Beier, der Mittwoch auf den Tisch kam, war noch jeder Versuch salzarm, gewürzlos und voller Speisefarbe. Einzige Ausnahme: Karin Beiers furioser Sommernachtstraum, aber das war ein Gastspiel.

Dennoch hätte man gerade nach letzterer Erfahrung und angesichts der Routine der Regisseurin aus unzähligen Shakespeare-Inszenierungen erwartet, daß es Karin Beier gelingt, die Figuren der Dreiecksgeschichte mit Geist und Esprit zu beleben. Aber die Situation einer monatelangen Vorbereitungszeit mit lange und überall in der Welt ausgewählten Akteuren – wie bei dem internationalen Sommernachtstraum – läßt sich dann doch nicht mit den Erwartungen eines festen Ensembles nach Führung und narrativem Konzept vergleichen.

Welches Rezept Beier nun auch immer benutzt hat, Was ihr wollt ist ein braves Schauspiel geworden, wo alle ordentlich ihre Rollen spielen, aber leider die Dynamik nicht stimmt. Weder findet sie das richtige Zeitmaß, um die tiefe Melancholie und innere Verlorenheit der rundum verkehrt Liebenden einzufangen, noch zündet die Komik der gegenseitigen Hänseleien und Fiesheiten im richtigen Gang, und so stottert der Motor der Erzählung laut vor sich hin.

Dabei ergibt weder die Wahl des Zirkus' als Spielort eine schlüssige Metapher, noch reizt Beier die Fragen der schwimmenden Geschlechtlichkeit aus, die Shakespeare hier angelegt hat. Wenn eine Frau als Mann verkleidet einen Mann liebt und von einer Frau geliebt wird, wäre dies die beste Herausforderung für einen Diskurs über Männlichkeit und Weiblichkeit. Aber Caroline Ebner als Viola und Sebastian darf nur das nette Kind sein, das die Tücken der Verkleidung mit aller Naivität erlebt, aber scheinbar niemals an Sex oder Bisexualität denkt.

Anstatt aber einen solchen – oder anderen – Schlüssel der Interpretation aufzunehmen, wird ganz konventionell gearbeitet. Das führt dann dazu, daß Siggi Schwientek als eine Karl Dall-Persiflage verheizt wird (wobei man sich fragen könnte, ob man Karl Dall überhaupt noch persiflieren kann?) oder daß Orsino (Bernd Grawert) und Olivia (Almut Zilcher) ein so altbackenes Liebespathos anlegen, daß man sich gelegentlich im subventionierten Privattheater wähnt.

Die netten Slapstick- und Witz-Einlagen der drei Junker (Josef Ostendorf, Wolfgang Pregler und Stefan Merki), die rührige Maria (Elke Lang) und die atmosphärisch dichte Musik von Frank Köllges und Achim Krämer bleiben appetitliche Randeinlagen, was sie bei dem die Nebenfiguren betonenden Stück auch nicht sein müßten.

Warten wir also auf den nächsten Gang. Till Briegleb

Nächte mit Joan

Ein dokumentarisches Bühnenstück über das Altern von Diven im allgemeinen und von Joan Crawford im besonderen – wen interessiert das? Die beiden Darsteller Nadja Tiller und Andreas Brucker zum Beispiel. Erstere, weil sie selber ein Altstar ist, letzteren, weil er neben ihr auftreten darf und selber gern ein Jungstar wäre.

Horst Königsteins Idee, das Leben der großen Hollywood-Figur von ihr selbst erzählt auf die Bühne zu bringen, trägt nicht. Die Szenen wirken gestellt bis überzogen. Dabei darf die Tiller ein bißchen Witz versprühen, ihr Mitspieler, dessen Qualitäten aus Verbotene Liebe ja sattsam bekannt sind, immerhin gut aussehen. Dafür trainiert er seinen Body auch viermal wöchentlich im Fitness-Studio, was ausreicht, denn er ist eh nur Stichwortgeber, damit sich die Diva besser leid tun kann.

Dann wird Nadja Tiller in alter Hollywood-Manier angestrahlt und schaut andächtig in die Ferne. Während der junge Mann sich noch bemüht, einen passenden Gesichtsausdruck aufzusetzen, entlädt sich ihre Erzählwut plötzlich in langen Monologen, gespickt mit vergangenen Namen berühmter Menschen und Institutionen. Die Premierenzuschauer wußten diese Nostalgie zu schätzen. So mancher kannte die Crawford wohl noch von vor dem Krieg.

Es gab Szenenapplaus bei ihrem Gejammer über unser schmutziges Zeitalter (die Diva litt an Putzzwang) und Gekicher, wenn sie Kraftausdrücke benutzte. Zum Beispiel „Fick“. Ein wahrer Star darf sich eben alles erlauben. Da kommen sogar Perversionen vor: ein schwuler Friseur, der der halbtoten Joan in ihrem New Yorker Appartement die Perücken frisieren soll. Gemimt von Andreas Brucker, als wäre er bei der Aufnahmeprüfung zur Schauspielschule.

Ein Theaterstück über einen verbitterten Star, der sich in die Isolation manövriert, um dort in Selbstmitleid zu versinken. Wen's interessiert... Ilka Fröse