Take the Train to Amsterdam

■ Die Masha Bijlsma Band spielte Mittwoch abend im Café Sand

Eine junge Holländerin mit langem, blonden Zopf, der unter einem schicken Stickkäppchen baumelte, sang mit klagender Stimme vom harten Leben der aneinander geketteten Sträflinge einer „Chain-Gang“. Wenn höhere Töchter vom Elend der Schwarzen singen, dann entbehrt das nicht einer gewissen Komik. Masha Bijlsma konnte die Jazzphrasierungen noch so schwarz und kompetent intonieren – von diesem Jazzstandard hätte sie dann doch lieber die Finger lassen sollen. Dabei gibt es genug Klassiker und Balladen von schwarzen Jazzmusikern wie Ellington oder Thelonius Monk, um darunter genau die passenden Songs für die holländische Sängerin zu finden. Von dem kleinen Mißgriff zum Beginn des Konzerts abgesehen, gelang dies Masha Bijlsma auch recht geschmackvoll und stilsicher. Aber die „Chain-Gang“-Version für höhere Töchter machte doch deutlich, wie merkwürdig es im Grunde ist, wenn europäische Jazzmusiker die schwarze Musik inzwischen wie klassische Musik aufführen, sich der schönsten Songs aus dem riesigen Repertoire bedienen und dabei ihren eigenen Reim auf die Textzeilen machen.

Auch die vom Bassisten Eric van der Westen für die Band komponierten Stücke wirkten wie den alten Standards nachempfunden, und Ellingtons „How long has this been going on“ oder „La Vie En Rose“ waren zwar neu und originell arrangiert, hatten aber dennoch die Patina von Evergreens. Das war oft ein wenig zu poliert, und einen eigenen Ton hat Masha Bijlsma (noch ?) nicht gefunden. Sie ist eher eine Jazzsängerin als eine Vokalistin; setzt ihre Stimme also weniger wie ein Instrument ein, konzentriert sich mehr auf die Songtexte als auf die Freiräume in den Arrangements und singt kaum Jazz-Koloraturen: Die Interpretation ist ihr also wichtiger als die Improvisation.

Dafür war dann der Gaststar zuständig: Saxophonist Gary Thomas blies pro Song ein Pflichtsolo und lieferte damit den nötigen Kontrapunkt zu der allzu ordentlich spielenden Begleitband. Aber so richtig freispielen konnte oder wollte auch er sich nicht, und so klang die Musik immer sehr gepflegt, aber nie wirklich aufregend: Jazz-light ohne Kalorien !

Willy Taub