Der Lack ist ab

■ Acht in der City drapierte ausgeweidete Schrottwürfel, die einst Autos waren, verunsichern die BremerInnen: Kunst oder Werbung? / Wird hier etwa am Mythos des Automobils gekratzt?

Autos, ausgeweidet und zu Würfeln gepreßt. Wer will damit Werbung machen? Ausgerechnet ein Autohaus. Bis morgen haben die BremerInnen noch Gelegenheit, acht zu kompakten Würfeln komprimierte Autowracks zu bestaunen, ausgestellt an zentralen Plätzen in der Stadt. Plaziert hat die Schrottwürfel die rührige City Initiative („In der City sind Sie auf der Sonnenseite des Lebens“), verbunden mit einem Preisausschreiben. Wer errät, welche Autotypen sich hinter den quadratischen Schrotthaufen verbergen, gewinnt einen aufgemotzten „Twingo“. Ausgedacht hat sich das Paul Fuchs, Geschäftsführer vom Autohaus Fuchs und Mitglied in der City Initiative.

„Plastiken sind die Konservierung einer Denkleistung“, sagt der Mann vom Autohaus. Herzlichen Glückwunsch. Reden so Autohändler? Kein Künstler, ein Kaufmann sei er und meint, die auffällige Werbeaktion im öffentlichen Raum könne sich schon mit der „morbiden Kunst“ in der Stadt messen, zumal in Hannover zur Zeit eine ganz ähnliche Aktion laufe, diesmal allerdings ganz ernst und künstlerisch gemeint. Fuchs dagegen kam es darauf an zu zeigen, wie weit die „Kreislaufwirtschaft inzwischen ist“. Das „Extrakt eines Autos“ liegt in der Stadt, ohne Kunststoffe, ohne Öle, ohne Glas – bloß der Stahl. Nur ist der Öko-Aspekt bei der Aktion nicht recht deutlich geworden, das gibt auch Paul Fuchs zu. Und er weiß: Man muß den Leuten eine Geschichte erzählen mit einem Happy End. Das Happy End ist die Preisverleihung. In der City Initiative heißt es, die Idee mit den Schrott-Quadern entstamme einem alten James Bond-Film, in dem 007 von einem Blechpaket auf eine Automarke schließen mußte. Davon weiß Fuchs nichts, freut sich aber, wie viel Gedanken sich die Leute machen.

In der Tat: „Jetzt bringen sie uns schon den Schrott nach Bremen rein“, zitiert Fuchs eine der heftigen Reaktionen auf die Würfel-Autos in der Lloyd-Passage. Oder: „Das ist ein Käfer. Mit dem bin ich auch früher gefahren!“

Allerhand Interesse vom kleinen Mann auf der Straße. Das wünscht sich mancher offiziell bestellte Künstler auch für seine Werke im öffentlichen Raum. Auch Stadtplaner Gottfried Zantke aus der Baubehörde, sonst jedem Wildwuchs bei der Stadtmöblierung abhold, hat „schon Schlimmeres gesehen“ (z.B. den Sockenstand auf dem Liebfrauenkirchhof) und den Schrottwürfel vergeblich umkreist auf der Suche nach dem Künstlernamen. Einen wohligen „Memento mori“-Schauder hat er gefühlt beim Gedanken daran, daß der Deutschen liebstes Kind so profan zusammengeschnurrt ist auf einen Klumpen Blech.

Schon seltsam: Nichts ist dem Bewußtsein alltäglicher als die Ubiquität des Autos – ob parkend, fahrend oder gar, opulent beleuchtet und auf einer schiefen Ebene drapiert, im Schaufenster zur Bewunderung freigegeben. In Kino und Werbung wie auch im richtigen Leben zum Mythos stilisiert und personifiziert, möbeln sie labile Identitäten auf, beugen Minderwertigkeitskomplexen vor und eignen sich als Ansprechpartner, Liebesersatz und Waffe. Kratz ich wem am Lack, blättert das Ego mit ab – der Sprachgebrauch ist verräterisch. Umgekehrt: Schöne Frauen werden schöner in schönen Autos, so lernen wir es täglich.

Klar, daß da 1988 die Stimmung hoch und überkochte in Berlin, als der renommierte Künstler Wolf Vostell, im Rahmen der 750 Jahr-Feier der Stadt, den Rathenauplatz denunzierte als das, was er ist: ein autogerecht geplanter Verkehrskreisel mit Alibi-Grünfläche als Mittelpunkt. Dort goß Vostell einen Cadillac in Beton, so daß nur noch das Hinterteil rausschaute und die Tag und Nacht vorbeirauschenden Autofahrer sich diffus verunglimpft fühlten: Geht das gegen uns? Kunst im öffentlichen Raum als gelungene Provokation, als Politikum.

Und jetzt sägt die Werbung am Ast, auf dem sie sitzt? Nicht ganz, es gibt doch das Happy End: einen „unglaublichen tiefergelegten“ „City Twingo“ mit Breitreifen, Bremen-Flagge und „Buten und binnen, wagen und winnen“-Aufdruck. Und da kam auch Stadtplaner Zantke nicht mehr mit, daß das zermatschte Auto ausgerechnet für ein Auto werben soll: „Schwachsinnig!“ Alexander Musik