Öllampen und rituelle Kreise

■ Zwei griechische Künstler stellen „Heimatkunde“ auf Kampnagel aus.

Griechenland war immer mehr als nur ein geographischer Begriff. Ob geistige Heimat der Humanisten oder Sonnenziel der Urlauber, das Land am Südende des Balkans und seine Inseln sind ein Ort der Projektionen.

Die deutsche Klassik suchte das Land mit der Seele, Lord Byron beteiligte sich am Freiheitskampf gegen die Osmanen, die neugriechische Hochsprache wurde mit Hilfe deutscher Gelehrter kodifiziert und das Königshaus kam aus Bayern. Fichte und Hegel, Hölderlin und Heidegger, Nietzsche und die Nazis verklärten das Land, das mit Sirtaki, Ouzo und dem Gyros-Griechen an der Ecke zwar konkreter geworden scheint, dessen aktuelle Kultur aber kaum bekannt ist.

Thessaloniki wird 1997 europäische Kulturhauptstadt,, und im Vorfeld dieser Aktivitäten zeigen jetzt zwei griechische Künstler ihre „Heimatkunde“ auf Kampnagel. Da wird die Geographie zum Zeichen: Marios Spiliopoulos nimmt den Umriß der Chalkidike und verwendet ihn golden und wie ein sakrales Zeichen. Chalkidike, eine Gruppe von drei Halbinseln, ist vor allem bekannt durch die Mönchsrepublik Athos. Die der Landschaft tief eingeschriebene religiöse Prägung weist aber über das orthodoxe Christentum hinaus: in die Antike und auf eine allgemeine Naturverehrung. Auch die hehren Marmortempel standen an einst einfachen heiligen Naturstätten. Daran knüpft Spiliopoulos mit der These an: „Das ursprüngliche Material ist der neue Humanismus.“

Der 39jährige Künstler, der schon ganze Modellstädte für Bienen gebaut hat, inszeniert mit Erde und Holzstelen, Bienenwachs und Öllampen rituelle Kreise, Orte der Konzentration, die ihren griechischen Ursprung verlassen und eher schamanisch-indianisch anmuten.

Den dionysischen Wurzeln der heute praktizierten Religion spürt auch der Fotograf Gorgios Katsagelos nach. Seine genauen Blicke auf die traditionellen Volksfeste sieht er über das Dokumentarische hinaus als Material für künstlerische Gestaltung, die den Bild- und Verhaltensspeicher alter Kulte öffnet.

Format und Hängung zwingen schon beim Betrachten zur Reaktion: der Blick kann die abgebildete heilige Handlung nicht auf einmal erfassen, die Bilder einer Prozession suggerieren betrachtendes Mitgehen und die Begräbnisbilder am Boden erzwingen eine Verbeugung. In einer gemeinsamen Inszenierung mit Spiliopoulos führt die fotografierte Rückseite einer Ikone zu einer ikonenhaften Arbeit des Künstlerkollegen: ein in Wachs und Honig gebettetes Palindrom in griechischer Schrift, von vorn und hinten gleichermaßen zu lesen. Die Übersetzung lautet etwa: „Wasche nicht Dein Gesicht, wasche Deine Seele..“ Hajo Schiff

bis 9.November, KX-Kunst auf Kampnagel, Jarrestr.20, Do bis Sa, 16-20 Uhr