In bed with Roger

■ Ein Gästesammler präsentiert sich und sein Poesiealbum

Beatrice Dalles Haare sind zerzaust, die Träger ihres Unterhemds von den Schultern gerutscht. Zwischen ihren vollen Lippen steckt eine Zigarette. Die danach? Nach einem spontanen One- Night-Stand mit Roger Willemsen, der entschlossenen Blickes hinter ihr steht und den Kopf an ihren schmiegt. Ist sie jetzt seine Betty Blue?

Wohl kaum. Roger Willemsen präsentiert nur sein Poesiealbum, die personelle Bilanz von zwei Jahren „Willemsens Woche“: Schauspieler, Models, Sportler – Willemsen hat sie alle gehabt. Nicht im Bett, nur am Tisch. Und im kleinen Fotostudio von Detlev Schneider, der die Talkgäste vor ihrem Auftritt fotografieren durfte. Die „hatten guten Grund, Detlev Schneiders Blick zu vertrauen, hat er doch immer wieder versucht, das Entrückte zu vermenschlichen, um so auch in der Verherrlichung von Stars etwas wie sublimierte Nächstenliebe erkennbar zu machen“, bramarbasiert Willemsen im Vorwort des Bildbands, doch sublimiert werden allenfalls die Klischees: Dennis Hopper mit leicht irrem Blick, Ilona Staller als weichgezeichnete Mutzenbacher und Heike Makatsch in Kleinmädchenpose mit verdrehten Füßen. Sogar Menschen, die man bisher getrost für farblos halten konnte, werden von Schneider in schmeichelndes Licht gerückt. Selbst Günter Jauch und seine Meckifrisur sehen ganz attraktiv aus. Allein die zugeordneten Gesprächsfetzen machen das optische Einerlei der Lieblingsposen erträglich. Roger Willemsen: „Haben sie sich schon früh viel mit dem Tod beschäftigt?“ Berti Vogts: „Das Leben beginnt erst nach dem Tod.“

Das Buch beginnt erst nach Willemsen und seinem kleinen Essay zum Thema Fernsehen, Woodstock und Literatur – gepflastert mit Bildern von sich selbst: beim rumkumpeln mit Herbert Grönemeyer, am Händchen von Muriel Baumeister oder mit Pedro Almodóvar auf den Schultern. Soviel Eitelkeit muß sein. Dabei erweist sich Willemsen auch im Standbild als Meister der kontrollierten Bedächtigkeitsgeste: Ein zustimmendes Zupfen am Ohr oder das Nachdenklichkeit signaliserende Streicheln der unteren Gesichtshälfte. Und ein stolzes, verschmitztes Lachen, das jeden Moment zu implodieren droht. Würde es das einmal tun, wäre aus dem menschelnden Roger wieder ein Mensch geworden. Doch da ist Fotograf Detlev Schneider vor, dem es auf Natürlichkeit wohl am wenigsten ankam.

Bei Willemsen konnte man sich stets gut vorstellen, daß er mit seinen Gästen nach der Sendung noch in irgendeinem Hamburger Jazzkeller verschwindet – genau wissen wollte man es nicht. Dabei kann man es ihm nicht einmal verübeln, daß er die Marke „Willemsen“ auf dem Höhepunkt ihrer Popularität ausverkauft. Die Branche ist schließlich schnellebiger geworden, die Halbwertzeiten der Moderatoren kürzer: Schreinemakers hat ihren Zenit überschritten, Bio sich mit Kohl wohl das schönste Abschiedsgeschenk gemacht und selbst Willemsen wird nicht ewig talken. Auch Sendungen sterben irgendwann. Oliver Gehrs

„Menschen aus Willemsens Woche – Fotografiert von Detlev Schneider“. Verlag Rütten & Loening, 49,90 DM