Neutralisieren und umleiten

■ Lust am gefährlichen Spiel mit ideologischem Material treibt den belgischen Künstler Gary de Smet in seiner Malerei

Auf seltsame Weise weißgekleidete Personen schweben etwas über dem Boden in einer blauen Landschaft. Doch nicht um Science Fiction geht es hier, mit dem Bildtitel „Euskal Dantzak“ gibt der Maler zu verstehen, es handelt sich um einen baskischen Volkstanz auf Stelzen.

Es ist Malerei. Aber Gary de Smets Malerei ist mehrfach gebrochen. Ob als zwei mal drei Meter großes Diptychon oder als im Holzregal archivisch gelagerte Bildserie, die auf Wiedererkennbarkeit angelegten Acrylbilder des Antwerpeners bleiben offen für wandelnde Bedeutungen.

Es ist die erste Ausstellung des 35jährigen Flamen in Deutschland, und sie zitiert immer wieder Deutsches, mit dem das Nachbarland konfrontiert wurde. Schöne Landschaftsbilder werden durch den Reihentitel „Kulturkammer“ zu ideologischen Konstrukten, während definierte politische Zeichen ihren Sinn in der Malerei zu verlieren scheinen.

Malt Gery de Smet einen Blick in die Fabrikationshalle von Volkswagen, geht es ihm nicht nur um den Käfer als komplexes Ideologieobjekt, sondern auch um die Art der Darstellung. Die Bildvorlage kommt aus der NS-Propagandazeitschrift Signal, die in den 40er Jahren mit Millionenauflagen im besetzten Europa verbreitet war. Gary de Smet stellt das scheinbar harmlose Industriebild unter den Reihentitel „The Art of Recruiting“ und definiert so den auch bei den trivialen Motiven herrschenden pathetischen Fotostil der Riefenstahl-Schule als Kunst der Werbung und militärischen Anwerbung zugleich.

Selbst die späte Wiederaufnahme durch den Künstler ist ein Erfolg dieses Werbens, dem sich noch heute im politischen Spektrum manche Nationalisten nicht nur in Deutschland ganz direkt verschreiben. Solche Wirkungen will der Künstler mit seiner Verwirrungsstrategie neutralisieren und auf sich umleiten. Er zeigt, daß jede andere Einvernahme von Bedeutung, als die durch das Subjekt eine Falle ist: Dem Firmenzeichen VW setzt er das Künstlersignet GdS entgegen.

Das öffnet die Lust am gefährlichen Spiel mit dem ideologischen Material. Doch ist es auch frustrierend, bleibt von der 30teiligen „Studie der Ideologien“ keine andere Festlegung übrig, als eine in ihrer Vielschichtigkeit fast hermetische, allein auf den Künstler verweisende Setzung.

Eine Auflösung von Sinn durch ein Übermaß an Präzision betreibt auch die komplizierte Edition AVE. Nur ein Jahr lang erscheint an den vier Sonnenwendtagen ein auf 365 Exemplare limitiertes Künstlermagazin. Auf 16 Seiten kombiniert die zur Ausstellung erschienene Nummer 3 edelgedruckt einen Kalender von Wallfahrten, keltischen Festivals und Techno-Raves mit zweisprachigen Texten von Gary de Smet. Da findet sich zugleich Kritik am Schwinden kultureller Unterschiede und Einblick in höchst individuelle Lebensgeschichten. Dazwischen steht der Baukasten von Till Velten und Christa Ziegler mit seinen 48 Begriffen: „Revolutionsmuseum“ oder „Prinzip Hoffnung“, „Übermensch“ oder „Totale Sinnlosigkeit“.... Irgendwie ist wohl doch was dran an der Befindlichkeit namens Postmoderne, zumindest im notorisch zerrissenen Belgien. Hajo Schiff Osterwalder's Art Office, Isestr. 37, Mi, 10-18, Do+Fr, 14-18, Sa, 10-14 Uhr, bis 31. Oktober