Party im Big Sombrero

Die favorisierte Tampa Bay Mutiny kann nicht mehr erster Meister der Major League Soccer werden  ■ Aus Tampa Rainer Hennies

„Whiskey Joe's“ am Rocky Point Drive mit Blick über die Tampa Bay hat sich längst zu einer der beliebtesten Kneipen der Gegend entwickelt. Wegen der Fußballer von Tampa Bay Mutiny, die dort während der ersten Saison in der Major League Soccer (MLS) ihre Siege feierten. Damit die Stimmung noch ein bißchen besser wird, haben die Kicker sogar ihre eigene Band gegründet, das „Sunil Gulati Allocation Orchestra“. Greg, der jüngste Bruder von New- England-Star Alexi Lalas, ist ihr Leadsänger. Gulati ist einer der MLS-Topmanager. Man stelle sich vor: ein Bundesligist gründet eine Mayer-Vorfelder-Combo und tritt damit öffentlich auf.

Am Samstag dürften die Songs ein wenig trauriger geklungen haben als üblicherweise, denn Mutiny, einer der Favoriten für den Gewinn der Meisterschaft, schied bereits im zweiten Match der Best- of-three-Halbfinalserie gegen D.C. United aus. Nach dem 1:4 in Washington ging auch das Match im eigenen Stadion mit 1:2 verloren. D.C. United trifft nun am 20. Oktober im Endspiel entweder auf Los Angeles Galaxy oder Kansas City Wiz. Die erste Partie gewannen die Kalifornier in Pasadena mit 2:1.

Fußball ist jedoch nur eine Seite der MLS, Entertainment die andere. „Um Soccer groß werden zu lassen, bist du jeden Tag aufs neue ein Botschafter“, sagt Tampa-Trainer Thomas Rongen. „Du mußt diesen Sport gut verkaufen können, denn vom Fußball verstehen die Leute hier weniger als vom Management. Wir zelebrieren das Spiel deshalb als ein Ereignis.“ Der 39jährige Holländer ist ein alter Hase im US-Geschäft. Von Ajax Amsterdam ging er 1979 zu den Los Angeles Aztecs unter Trainer Rinus Michels. Darauf spielte er mit Johan Cruyff bei den Washington Diplomats, später mit Gerd Müller und Bernd Hölzenbein bei den Strikers in Fort Lauderdale.

Der Mediendruck im US-Soccer ist gering. Viele Journalisten wissen nichts vom Fußball. Sie berichten daher kaum fachlich, sondern interessieren sich mehr für die Show. Entgegen mancher zirkusorientierter Vermutung kommentiert der Stadionsprecher kaum Spielzüge. Gleichwohl lobt er „gut gehalten“, verkündet „Ecke“ oder „Freistoß“ und animiert die Fans. „Tampa“ riefen sie dann von der Haupttribüne, „Bay“ schallte es von gegenüber zurück. Besonders bei Standardsituationen greift der Mikro-Mann gerne in seine Kiste harter Rock-Rhythmen.

„Aber mittlerweile wird das Interesse am Sport selbst größer“, stellt Rongen fest. Man dürfe die Liga nur nicht mit zu hohen Erwartungen überfordern. „Wir sind im Aufbau und für das erste Jahr schon auf jedem Gebiet sehr erfolgreich. Es herrscht richtiger Pioniergeist.“ Das gilt auch für die ausländischen Stars. Leute wie Carlos Valderrama sind deshalb in die MLS gegangen, obwohl der Verdienst limitiert ist. „Ich wollte noch einmal etwas völlig Neues erleben. Es macht Spaß, hier etwas aufzubauen“, sagt der 35jährige Ballzauberer aus Kolumbien (96 Länderspiele) und Kapitän der Tampa Bay Mutiny. Allein wegen seiner blonden Locken und seines wohlklingenden Namens kommen die Leute ins Stadion. Valderrama, den die Hispanics gern „El Pibe“ (das Kind) nennen, kann es sich sogar leisten, in der Kabine einen Teamgefährten zu verprügeln. Pech für Ivan McKinley, daß er im Sommer beim 0:1 in Washington so schlecht war, daß El Pibe die von ihm erwarteten Führungsqualitäten gegen eine 250-Dollar- Buße aus Füßen und Hirn in die Faust legte.

Mit 13.000 Besuchern im Schnitt war Tampa trotz seiner 20 Siege kein Zugpferd der Liga. Rund 20.000 Fans sind MLS-Schnitt, dank solcher Zuschauermagneten wie Los Angeles Galaxy. Die Kapazitäten der Riesenarenen sind heruntergefahren. Tampas „Big Sombrero“ faßt statt 74.000 nur noch 16.000 Menschen. Auch bei der „Valderrama-Wig-Night“ gegen Kansas City blieb der Oberring frei. Die Stimmung war glänzend. Tausende auf den Rängen trugen die Perücke mit den blonden Locken. Sogar die Teams auf dem Weg zu Nationalhymne und Anpfiff. Und in der Halbzeitpause tummelten sich Hunderte kleiner Valderramas im Innenraum zu Ententanz und Macarena. „Yahoo, ihr habt hier die größte Party in Tampa Bay! Macht es so wie Carlos: Der Ball muß ins Tor!“

Im Halbfinale stahl dem Star der Mutiny jedoch ein Spieler aus El Salvador komplett die Schau. Raúl Diaz Arce schoß in der 82. Minute in Tampa nicht nur das Siegtor für Washington, sondern er hatte auch schon beim 4:1 drei Treffer erzielt.