■ Fortbildungsveranstaltung für die Robin Hoods der Verwaigelten: Die Kölner „Tage der Steuerfahndung“: Von der Raster- zur Zasterfahndung
Köln (taz) – „Tage der Steuerfahndung – bei uns?“ Sichtlich nervös blättert die Empfangsdame des direkt am Rhein gelegenen chromnoblen Hyatt-Hotels in ihren Unterlagen. Schließlich wird sie glücklich fündig und lächelt jovial: „Ach, Sie meinen die Tagung des Verlages Dr. Otto Schmidt. Jetzt haben Sie mir aber einen ganz schönen Schrecken eingejagt – Rheinsäle eins und zwei, erste Etage.“
Ausgesucht geschmackvoll gekleidete Damen und Herren sitzen dort an langen Tischreihen, Cola, Wasser und Fruchtsäfte vor sich. „Teilnahmegebühr beinhaltet Arbeitsunterlagen, Pausengetränke, zwei Mittagessen und Abendveranstaltung“, stand in der Einladung des Steuer-, Recht- und Wirtschaft-Fachverlages zum zweitägigen Vortragsmarathon. 350 Steuerberater, Rechtsanwälte, Bank- und Unternehmensjuristen sowie Wirtschaftsprüfer hatten dafür 1.450 Mark überwiesen – zuzüglich Mehrwertsteuer.
Der Staat habe die Spielregeln geändert, schleudert der promovierte Düsseldorfer Rechtsanwalt und Steuerberater Peter Feldhausen als erster Referent seinen ZuhörerInnen die nackte Realität der neuen deutschen Fiskalpolitik entgegen. Habe es in den vergangenen Jahrzehnten als normal oder bestenfalls als Kavaliersdelikt gegolten, weniger Steuern als vorgeschrieben zu zahlen, so müsse nun nachgezahlt werden: „Die Steuerfahndung ist bienenfleißig“, weiß Feldhausen. Entsprechend viele neue Herausforderungen warten auf die Juristen und Steuerberater, entsprechend gierig saugen sie die Tips der referierenden Fachleute auf.
Wer darf was, wenn die Beamten vor der Tür stehen, lautete die zentrale Frage. Beinahe ein wenig beleidigt hatte der Neuwieder Steuerrechtler Prof. Franz Salditt schon in seiner Einführung festgestellt, daß sich viele Verdachtsmomente erst aus der Durchsuchung ergäben. Das aber entspreche nicht rechtsstaatlichem Verhalten. Von Steuerhinterziehung spricht Salditt dabei nicht – lieber von Steuerverkürzung. Über „Durchsuchungen beim Steuerberater“ informierte der Münchner Hochschullehrer Prof. Klaus Volk, über „Durchsuchung, Beschlagnahme, vorläufige Festnahme und Rechtsmittel“ der Dortmunder Anwalt Ingo Flore. Von der „Rasterfahndung der achtziger zur Zasterfahndung der neunziger Jahre“ habe sich das Schwergewicht verschoben, stellte er populistisch fest; der Steuerfahnder fühle sich dabei als „Robin Hood der Verwaigelten“. Den strafrechtlichen Konsequenzen für Bankmitarbeiter, die im Auftrag ihrer Kunden Geld in Zürich und Luxemburg verschwinden ließen, widmete sich schließlich Rechtsanwalt Jörg Frick aus Stuttgart. Ihm dürften die zahlreich teilnehmenden Vertreter der Geldinstitute – von der Bank für Gemeinwirtschaft bis zur Wuppertaler Stadtsparkasse – besonders aufmerksam zugehört haben.
Eine geschlossene Veranstaltung waren die „Kölner Tage der Steuerfahndung“ nicht – im Gegenteil: Die Tagung war über Pressemitteilungen und Prospekte breit angekündigt worden. Mindestens ein Steuerfahnder saß als Vertreter der Gegenseite inkognito im Publikum und blickte immer wieder versonnen in die Teilnehmerliste. Entsprechend vorsichtig formulierten die meisten Referenten ihre mehr oder minder direkten Tips. Eine Selbstanzeige und ein anschließender „Deal“ mit dem Finanzamt habe sicher seine Vorteile, wußte etwa Referent Peter Feldhausen. Die ungeheuer große Zahl der Strafverfahren und die strafrechtliche Verjährungsfrist von nur fünf Jahren könnten aber dennoch ein Argument für Gelassenheit sein: „Vielleicht ist bis dahin nichts entdeckt.“
Vertreter der nordrhein-westfälischen Finanzbehörden hatten auf Weisung von oben eine Teilnahme am Kölner Kongreß ablehnen müssen. Finanzminister anderer Länder schienen mit der Veranstaltung weniger Probleme zu haben. Vom neugegründeten Finanzamt für Fahndung und Strafsachen in Berlin etwa war Regierungsdirektor Wolfgang Lübke an den Rhein gereist, um im Rahmen seines Vortrags über „Probleme der Organisation der Steuerfahndungsstellen – Auswirkungen auf Mandantenberatung und Verteidigung“ zu informieren. Sein Regierungsdirektorenkollege Dr. Erwin Küster vom Finanzamt Stuttgart II hatte zuvor bereits Auskunft über „Massenverfahren aus der Sicht der Steuerfahndung“ gegeben und dabei auch den Punkt „Stärken und Grenzen der Steuerfahndung“ nicht ausgelassen.
Die Abendveranstaltung in einer Kölner Gaststätte war im als Fortbildungskosten steuerlich absetzbaren Preis der Tagung eingeschlossen. Es sei selten so oft wie an diesem Abend nach fiktiven Quittungen gefragt worden, erzählte einer der Kellner anschließend: „Wahrscheinlich hatten die es nötig.“ Stefan Koldehoff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen