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Niederlage für Barsani im Nordirak

■ Nach der Einnahme von Sulaimaniya übernimmt die Patriotische Union Kurdistans seines Rivalen Talabani weitere Städte. Die PUK dementiert jedwede militärische Unterstützung aus dem Iran

Berlin/Arbil/Ankara (taz/AFP/ rtr) – Der Sieg des nordirakischen Kurdenführers Massud Barsani über seinen Rivalen Dschalal Talabani war nur von kurzer Dauer. Talabanis „Patriotische Union Kurdistans“ (PUK) hatte gestern nach Informationen aus UNO- Kreisen bereits einen Großteil der Gebiete im Norden Iraks zurückerobert, die sie vor sechs Wochen an die „Demokratische Partei Kurdistans“ (KDP) von Barsani verloren hatte.

Über Sulaimaniya, einer Stadt von 75.000 Einwohnern und traditionelle Hochburg der PUK, weht seit Sonntag wieder deren grüne Flagge. Der Wechsel der Machtverhältnisse ging hier, wie schon unter umgekehrten Vorzeichen Anfang September, weitgehend kampflos vor sich, da sich die KDP-Kämpfer vor der anrückenden PUK zurückzogen.

Nach Angaben eines Auslandsvertreters der PUK ist Barsani, der sich in der Stadt aufgehalten habe, nach Kirkuk geflohen. Dort sei sein Konvoi von Einwohnern des kurdischen Vororts Rahimawe beschimpft worden. Daraufhin habe sich Barsani durch irakisches Gebiet in sein Hauptquartier nach Salahuddin begeben.

Nach dem Einmarsch in Sulaimaniya rückten die PUK-Kämpfer weiter vor und nahmen mehrere Städte unter ihre Kontrolle, darunter auch das gesamte strategisch wichtige Gebiet am Dokam- Damm und dem dortigen Wasserkraftwerk. Nach Angaben der PUK sollen ihre Kämpfer wieder weite Teile der Provinzen Kirkuk und Arbil kontrollieren und bereits 70 Kilometer vor Arbil stehen, jener Stadt, die die Barsani- Anhänger zu Beginn ihrer Offensive Ende August mit Hilfe der Truppen des irakischen Diktators Saddam Hussein erobert hatten.

Talabani erklärte gestern in einem Interview mit der in London erscheinenden arabischen Zeitung Al Hayat, die PUK werde Arbil vorerst nicht einnehmen. Rund um die Stadt seien irakische Panzer in Stellung. Die Befreiung von Arbil bleibe den Einwohnern überlassen.

Aus Sicht der nun unterlegenen KDP Barsanis war der unvermutete Vormarsch der PUK nur möglich, weil diese Hilfe aus dem Iran hatte. „Iran hat eine breit angelegte Invasion begonnen“, hieß es in einer Erklärung Barsanis zum Rückzug seiner Kämpfer aus Sulaimaniya. „Wir appellieren an die internationale Gemeinschaft einzugreifen.“ Ein KDP-Sprecher sagte, seine Fraktion habe sich wegen heftiger iranischer Artillerie- und Raketenangriffe zurückgezogen.

Die PUK dementierte jedwede militärische Zusammenarbeit mit Iran. Auch die Regierung in Teheran bestritt, der PUK mit eigenen Truppen zu helfen. Von unabhängigen Quellen wurden die Vorwürfe der KDP bisher ebenfalls nicht bestätigt. In Sulaimaniya sitzen sowohl UN-Vertreter als auch Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen.

Spitzenvertreter der KDP trafen gestern in der türkischen Hauptstadt Ankara ein. Sie wollten dort mit Vertretern des Außenministeriums konferieren, ehe sie noch am Abend nach Washington weiterfliegen wollten. Diese Gespräche waren vor den militärischen Erfolgen der PUK angesetzt worden. Ein Auslands-Vertreter der PUK erklärte, die Reise der KDP-Vertreter nach Washington habe jetzt keine Funktion mehr, da sie nun in einer anderen politischen Situation stattfände.

Die Kooperation der KDP mit irakischen Truppen war in Washington auf Ablehnung gestoßen. Schließlich war damit die Kurdistan-Politik der USA zusammengebrochen, die im Nordirak ein Flugverbotsgebiet und in einem Teil Kurdistans eine Schutzzone für die Bevölkerung errichtet hatten. Die USA hatten auf die irakische Einmischung in Kurdistan mit Luftangriffen auf Ziele im Süden des Landes reagiert.

Gestern warnte die US-Regierung Iran und den Irak davor, sich in die neuerlichen Kämpfe einzumischen. Die irakische Regierung richtete eine Warnung an die PUK, mit Hilfe einer ausländischen Macht – eine Anspielung auf Iran – den Kampf im Nordirak für sich entscheiden zu wollen. bs

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