"Liebe taz..." Zairer auch in Niedersachsen verfolgt - betr.: "Eier flogen gegen zairisches Konsulat", taz-Bremen vom 10.10.1996

Zu: „Eier flogen gegen zairisches Konsulat“ v. 10.10.

Leider werden nicht nur die verfolgten Zairer aus Bremen von ausländerfeindlichen Behörden und Verwaltungsrichtern den Repressalien des Mobutu-Regimes ausgeliefert, sondern auch die verfolgten zairischen Flüchtlinge aus Oldenburg und Ostfriesland von ebensolchen Behörden und vom Verwaltungsgericht Oldenburg.

Dort hat sich Anfang des Jahres eine Kammer gebildet, die am 21.2.96 erstmalig ein Urteil in der Sache „eines zairischen Flüchtlings“ gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes verkündete; natürlich wurde seine Klage verworfen. Seitdem haben die drei Berufsrichter (Leemhuis, Osterloh, Burzynska) als Einzelrichter alle folgenden Klagen zairischer Flüchtlinge abgelehnt.

Da ich zahlreiche Urteile für die Flüchtlinge übersetzt habe, bin ich mit den Einzelheiten vertraut. Die Urteile sind in ihren Begründungen unglaublich platt, konstruiert und zynisch, wie ich es bisher nur aus den Bescheiden des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gewohnt war. Winzige Differenzen in den Schilderungen bei den verschiedenen Instanzen, z.B. „in der Zelle war es feucht“ und „in der Zelle war es naß“, manchmal nur durch unterschiedliche Übersetzungen zweier Dolmetscher zustande gekommen, werden aufgelistet und dienen dazu, die Glaubwürdigkeit der Flüchtlinge zu untergraben, um dann folgern zu können, daß ein Mensch, der in Kleinigkeiten nicht die Wahrheit sagt, es wahrscheinlich auch in der Hauptsache, dem eigentlichen Asylanliegen, nicht tut.

Auf die Vorkommnisse, die zur Flucht geführt haben, wird kaum eingegangen. Dabei haben die meisten Flüchtlinge in Zaire wochen- oder sogar monatelang im Gefängnis oder in einem der vielen Cachots gesessen, unter unbeschreiblichen hygienischen Bedingungen, nur sporadisch versorgt mit Nahrung und Wasser. Sie wurden verprügelt, ausgepeitscht, gestoßen, getreten, gefesselt, schein-exekutiert und erst durch Bemühungen von Familienangehörigen oder Parteifreunden mittels Schmiergeldern und „Vitamin B“ befreit, einer sogar erst einen Tag vor seiner geplanten Hinrichtung, wie er hinterher erfuhr.

Alle diese Flüchtlinge befänden sich in höchster Lebensgefahr bei einer Rückkehr nach Zaire, zumal sie sich auch hier politisch betätigen. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig als sich zu verstecken, bevor die „Abschiebungsmaschinerie“ sie erfaßt, denn bis jetzt sind auch alle Anträge, eine Berufung beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg zuzulassen, vom Verwaltungsgericht Oldenburg abgelehnt worden.

Unsere Politiker und unsere Wirtschaft wollen gute Beziehungen zu Mobutu. Eine Anerkennung der zairischen Asylbewerber wegen politischer Verfolgung in ihrem Heimatland wäre ein Affront gegen ihn. Deshalb ignoriert unsere Regierung alle Menschenrechtsverletzungen oder verharmlost sie, obwohl alle Menschenrechtsorganisationen und die UNO sie bestätigen. Und eine große Zahl deutscher Beamter und Richter sorgt in vorauseilendem Gehorsam dafür, daß sich daran nichts ändert. Wahrscheinlich haben sie nicht einmal ein schlechtes Gewissen, denn schließlich ist ja alles „rechtens“. Ich jedenfalls schäme mich jedesmal, wenn ich wieder ein solches Urteil übersetze, das im Namen des Volkes verkündet worden ist, denn ich gehöre ja auch diesem Volk an.

Wilhelma Heinze

Mitarbeiterin im Asylkreis Rhauderfehn/ Ostrhauderfehn