Tiefseebesteck und Seepferdchenlöffel

■ Bremens Securitas Galerie führt „Aqua Design“ vor – Maritimer Schmuck, Schalen und Teller von Izabel Lam inmitten von Südseemuscheln und Meeressand

Die Securitas Galerie, Bremens rührige Design-Institution, schnorchelt derzeit unter der Wasseroberfläche. Die hauseigene Zauberformel für die neueste Design-Ausstellung: „Aqua Design“. In einem wassergefüllten Bassin sind hier seit gestern exotisch bunte Glasteller zu sehen. Zwischen Nautilusschnecke, Jakobsmuschel und Seestern winden sich gewellte Armbänder und Ringe mit Süßwasserperlen. Im Meeressand ruht ein „Seepferdchenlöffel“. Aqua De-sign, das wird schnell deutlich, ist nichts für LiebhaberInnen klarer Formen. Gefallen wird nur finden, wer offen ist für Farben, Schnörkel und Spielereien.

Die Schöpferin dieser dekorativ verschlungenen Unterseeobjekte, Izabel Lam, wird zu Beginn der Designschau „Aqua Design“ porträtiert, im PR-Look mit Hochglanzfotos. Ein Poster zeigt die Hongkong-Chinesin mit Sauerstoffflasche in den Tiefen der tropischen See, umgeben von Fischen und Pflanzen. „Ich tauche leidenschaftlich gern“, sagt sie, „unter Wasser höre ich auf zu denken, lasse Pflanzen und Tiere einfach auf mich wirken.“ Eine zweite Aufnahme führt vor, wie die in New York lebende Designerin ihre Unterwassererlebnisse mit dem Schweißgerät in Metall einbrennt und daraus Schmuck, aber auch Gebrauchsgegenstände formt. Daß die organisch geschwungenen Messer und Gabeln nichts mit den ebenfalls naturverbundenen Jugendstilbestecks zu tun haben und daß Dekor und Oberfläche der blauen, gelben und orangefarbigen Glasschalen recht unruhig wirken, stört den Ausstellungsorganisator Torsten Brandt von der Securitas Galerie herzlich wenig. „In einem Wintergarten mit Terrakottaboden und Holztisch sieht ihr Besteck einfach toll aus“, schwärmt er.

Und für alle Skeptiker fügt er hinzu, daß der Trend eben weggehe vom schlichten skandinavischen Design. Hin zu farbig gespachtelten Wänden, Holzmöbeln, Parkett und Pastelltönen. Deswegen hat Brandt nach Ausstellungen zu formstrengen Gestaltern wie Wilhelm Wagenfeld und Tassilo Grolmann erstmals das dekorative De-sign von Izabel Lam ausgewählt.

Die gilt übrigens auf dem internationalen Designmarkt als feste Größe. Hier kennt man die Frau, die eine New Yorker Designschule als „Studentin des Jahres“ absolviert hatte und anschließend bei Calvin Klein und Geoffrey Beene in Sachen Mode eingestiegen war. Inzwischen sind die handgearbeiteten Objekte der 49jährigen nicht nur in US-Museen, sondern sogar in Solingens Klingenmuseum und im Dresdner Kunstgewerbemuseum zu sehen.

Immer neue Schalen, Lampen und Schmuckkollektionen verlassen als Prototypen ihre Werkstatt in Brooklyn. „Das New Yorker Atelier der Künstlerin, am Meer gelegen, wird zur Werkstatt eines aquatischen Expressionismus“, heißt es schwülstig im Katalog. „Jeden Tag neu kämpft Izabel Lam um die Harmonie der Tiefe. Am Saum der Wellen läßt sie sich von der Dämmerung überraschen und träumt hinaus in den offenen Horizont.“ Schließlich schwimmt sie mit ihrem Hang zum Dekorativen auf einer Welle des Erfolgs.

So erfolgreich ist die Designerin, daß ihre Arbeiten millionenfach kopiert werden. Gegen 50 Firmen vor allem in Asien habe man bereits geklagt, erzählt ein Manager von Izabel Lams Designfirma während der letzten Ausstellungsvorbereitungen. Zum Beweis nimmt er einen Stapel von Zeitungsartikeln in „Financial Times“, „Time“ und „Business Post“ aus seinem Ordner, in denen von Piraterei im De-sign-Business die Rede ist. Allein fünf bis acht Prozent des Jahreseinkommens, sagt er, investiere Izabel Lam, um die Kopisten zu stoppen. Sabine Komm

Bis 5. 1. 97, montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr. Parallel: Im Museum Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt die Ausstellung „Fließend Formen: Izabel Lam – Neues Design aus Amerika“