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Geld als verläßliche Dimension

Der ausgewanderte Basketballer Michael Koch tritt morgen mit Panathinaikos Athen in der Europaliga an alter Leverkusener Wirkungsstätte auf  ■ Von Ulrich Loke

Ist Griechenland wirklich das Basketball-Schlaraffenland, wo die Hallenparketts aus Honigbrot gebacken, die Bälle aus Marzipan gekugelt und die Netze an den Körben aus Dollars geknüpft sind? Ganz soweit gehen die Verrücktheiten um den griechischen Nationalsport nicht, aber immerhin bekommen die Spieler ihre Sportkleidung nachgetragen und logieren auf Reisen in First-class-Hotels, wo sie Whirlpool und Massagestübchen als Orte behaglicher Entspannung aufsuchen können.

Angenehme Begleitumstände „wie bei Bayern München“ hat Michael Koch in Athen vorgefunden, wo er seit Saisonbeginn für Panathinaikos spielt. „Profihafter“ nennt der Nationalspieler das neue Ambiente im Vergleich zur Bundesliga, geschmälert einzig durch so manche unkontrollierte Ladung Emotion, die Basketball in Griechenland freisetzt.

Die allgemein euphorische Gefühlslage öffnet auch die Kassen der hellenischen Vereine. Kurz vor der Sommerpause, als beim deutschen Rekordmeister in Leverkusen schon weiter fest mit Michael Koch gerechnet wurde, unterschrieb er in Athen für doppeltes Honorar. Um Leverkusen nach fünf Jahren die Treue zu halten, hätte es einer Art Schmerzensgeld bedurft. „Es hätte finanziell mehr als stimmen müssen, weil es sportlich nicht gerade rosig aussah“, sagt Koch. Als er seine Entscheidung fällte, hatten bei Bayer schon Erfolgsgaranten wie Henning Harnisch, Sascha Hupmann oder Christian Welp das Weite gesucht und in Berlin oder Piräus gefunden. Danach war Kochs sportliche Erwartungshaltung arg geschrumpft: „Ich wäre der letzte Mohikaner des Meisterteams gewesen.“

Die bösen Ahnungen sind zur Gewißheit geworden. Anfang der Woche hat Michael Koch daheim, im Athener Vorort Ekali, im DSF die Wiederholung der Leverkusener Niederlage in Rhöndorf gesehen. In der Europaliga steht noch kein Sieg zu Buche. Und morgen stattet Koch mit seinem neuen griechischen Arbeitgeber, der sich seine Basketballer 35 Millionen Mark im Jahr kosten läßt, der Dopatka-Halle einen Europaliga-Besuch ab. Nur ein Sechstel dieser Summe kann Leverkusen investieren, und entsprechend schlecht stehen auch die Siegchancen.

Pfiffe des Publikums erwartet Michael Koch nicht an alter Wirkungsstätte. „Die Leute haben für mich bezahlt und geklatscht. Die wissen, daß ich mir hier fünf Jahre lang den Arsch aufgerissen habe.“ Nach so viel Engagement bringt sogar Bayer-Manager Otto Reintjes „vom Finanziellen her Verständnis“ für Kochs Entscheidung auf. Mehr als rund eine Million Mark Ablöse und das Bedauern des ehemaligen Angestellten bleibt den Leverkusenern aber nicht. „Schade, daß es nach so viel Erfolg so schnell bergab geht“, sagt Koch und räumt seinen eigenen Anteil an der Bayer-Talfahrt ein. Aber wer würde einem Profi („ich war immer offen für alle Sachen“) seine professionelle Einstellung vorwerfen? Noch dazu, wenn er mit 30 Jahren seine „letzte Chance“ wahrnimmt?

Den Zweijahresvertrag bei Panathinaikos will Michael Koch auf jeden Fall erfüllen. Aber bei der gefühlsabhängigen Schnellebigkeit im griechischen Basketball ist nicht Zeit, sondern Geld die verläßliche Dimension. Deshalb ist zumindest das Salär vertraglich gesichert. Ohne vorherige schriftliche Garantie hat sich Koch in seiner neuen Mannschaft etabliert. Er gehört mittlerweile zur ersten Fünf und steht, „wenn es entscheidend wird, auf dem Feld“. Sein Trainer, Bozidar Maljkovic mag nach Selbsteinschätzung von Koch „die hundertprozentige Einstellung, die ich bringe“. Mit dieser darf im übrigen auch Bundestrainer Vladislav Lucic weiter planen.

1.500 griechische Fans wollen morgen Augenzeugen beim Auftritt von Panathinaikos sein und einen Hauch von Basketball-Verrücktheit verbreiten. Für Michael Koch wird es das letzte Heimspiel für lange Zeit in Leverkusen sein.

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