Wasserwerfer gegen die Justiz

■ Belgien: Empörung über Richter-Absetzung

Brüssel (taz) – Die Proteste gegen die Absetzung des Untersuchungsrichters Jean-Marc Connerotte, der wegen der entführten und mißbrauchten Kinder ermittelte, nehmen immer heftigere Formen an. In Lüttich griff gestern sogar die Feuerwehr mit Spritzen und Wasserwerfern den Justizpalast an, „um die Justiz zu säubern“, wie ein Feuerwehrmann erklärte. Auch in Brüssel, Antwerpen und Charleroi standen die Justizgebäude im Mittelpunkt von Demonstrationen. Im ganzen Land kam es zu wilden Streiks.

In Brüssel legten 600 Arbeiter des VW-Werks die Arbeit nieder und zogen vor den Justizpalast, wo sie den Haupteingang blockierten. In der flämischen Stadt Gent traten 230 Beschäftigte der Volvo-Niederlassung in einen kurzen Streik und besetzten eine Straßenkreuzung. An einigen Orten schlossen sich auch Mitarbeiter der Telefongesellschaft und der Eisenbahn dem Ausstand an. Züge fuhren verspätet, einige Telefonverbindungen waren für einige Stunden stillgelegt.

„Es geht hier um die Sicherheit unserer Kinder“, sagte der Gewerkschaftsvertreter Claude Dufranse. Er warf Polizei und Justiz vor, schwere Fehler bei der Suche nach den entführten und mißbrauchten Kindern gemacht zu haben. Justizminister Stefan De Clerck, der deshalb schon vor Wochen eine Untersuchung in den Reihen der Justiz eingeleitet hat und als integer gilt, versuchte gestern vergeblich, die aufgebrachte Stimmung zu beruhigen. Im staatlichen Radiosender RTBF sagte er, der abgesetzte Connerotte könne bei den weiteren Ermittlungen gegen Kinderprostitution noch „nützlich“ sein.

Die landesweite Empörung richtet sich gegen die Entscheidung des höchsten belgischen Gerichts, das am Montag nachmittag den Untersuchungsrichter im Verfahren gegen den Kinderschänder Dutroux auf Antrag der Verteidigung wegen Befangenheit absetzte. Connerotte hatte an einem Dankesessen mit den beiden lebend gefundenen Mädchen Laetitia und Sabine teilgenommen. Alois Berger

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