■ LOOPBACK
: Lang lebe die Windowsrevolution!

„Freiheit für Taiwan!“ oder „Kommunistischer Bandit!“ – die ersten chinesischen Benutzer von Windows95 waren schon ein wenig erstaunt, als sie diese und andere Systemmeldungen auf dem Bildschirm lasen. Bill Gates Betriebssystem wurde von taiwanischen Programmierern für China „lokalisiert“, und offenbar waren einige von ihnen ein wenig übereifrig. Microsoft nimmt die indoktrinierten Versionen zurück – natürlich nur Originalversionen, nicht die vielen Raubkopien.

Doch die chinesischen Ideen beflügeln die Phantasie. Sie zeigen, daß es tatsächlich möglich ist, dem grauen Windows-Alltag mit der ewig drehenden Sanduhr etwas entgegenzusetzen und Versionen zu basteln, die ganz auf die besonderen Umstände und gesellschaftlichen Bedürfnisse abgestimmt sind. Vielleicht läßt sich damit richtig Geld verdienen, die Programmierwerkzeuge kann ich mir von jedem Shareware-Server aus dem Netz holen. Damit kann ich plötzlich autauchende, revolutionäre Fehler- und Systemmeldungen bauen, etwa: „Das System führt nun den Hygiene-Update durch. Verlassen Sie bitte sofort den Raum!“ – oder für den Internet-Explorer: „Wollen Sie WWW wirklich löschen? Ja – Nein – Weiß nicht.“

Jedem Land, jedem Betrieb sein eigenes Windows! Extras sind gegen Aufpreis immer möglich. Die Spezialversion für Helmut Kohl, Bildschirmschoner mit blühenden Landschaften, wird besonders stabil. Sie läßt sich mindestens 16 Jahre lang nicht aus dem Speicher entfernen. Bei der Version „Seehofer“ gibts lebenswichtige Module nur bei hundertprozentiger Selbstbeteiligung. Schön ist auch die blauweiße Bayern-95-Edition mit integrierter Zwangsberatung und Kruzifixen. Den Gegnern des Ladenschlußgesetzes könnte ich etwas einbauen, was den Rechner um Punkt sechs abschaltet. Der notorische Internet-Ignorant Friedrich Küppersbusch erhält eine Version, die seinen Gästen alle drei Sekunden ins Wort fällt, und bei Focus-Chef Markwort erscheint jeden Morgen: „Klicken, klicken, klicken – und immer an den Absturz denken!“ Die taz bekommt einen automatischen Abonnentenzähler, Carola Rönneburg eine Emulation des Laminators. Bei Telekom-Chef Ron Sommer wird der Absturz von ISDN-TreiberInnen herbeigeführt, und die Kirche gegenüber kriegt multimediales Glockengeläut, das draußen niemand hört.

Ach, man könnte vieles machen! Die virtuelle Love Parade für die Raver als Screen-Background im Winter, sahnegefüllte Windbeutel für die Kollegen von der Bäckerblume – von China lernen heißt siegen lernen.