Champagnertrüffel satt bis 20 Uhr

Nur in großen Einkaufsgebieten sind die Läden ab dem 1. November bis 20 Uhr offen. Durch mehr Ruhe beim Shopping hoffen Händler auf größeren Umsatz  ■ Von Julia Naumann

Eine Badewanne mit Whirlpool oder lieber doch ohne Massagestrahl? Marco Beran glaubt, daß sich seine KundInnen diese schwierige Frage ab dem 1. November öfter stellen werden. Der Geschäftsleiter des Badefachgeschäfts Bäderland am Adenauerplatz ist davon überzeugt, daß bei längeren Ladenöffnungszeiten die Einkäufer endlich genügend Muße haben, sich ausgiebig und ohne Zeitdruck für neue Duschköpfe, Fliesen und Klosettbrillen zu entscheiden – und natürlich zu kaufen. Durch den ungestörten Einkauf bis 20 Uhr hofft er, daß die Leute öfters als bisher zu einer luxuriösen Wanne als zum Billigmodell greifen. Doch ob der Umsatz dadurch wirklich langfristig steigt oder sich nur besser auf die verschiedenen Zeiten des Tages und der Woche verteilt, kann er nur mutmaßen. Deshalb wird das Bäderland erst einmal nur einen Monat lang die Türen bis 20 Uhr aufmachen.

Die Leiterin der Filiale des Süßwarengeschäfts Hussel in der Fußgängerzone der Wilmersdorfer Straße ist da optimistischer: „Wir haben jetzt immer bis 20 Uhr geöffnet, egal was kommt“, sagt Manuela Simm. Seit den ersten Debatten um die Ladenschlußzeiten sei für sie klar gewesen, daß es Champagnertrüffel, Schokorosinen und chinesisches Reisgebäck auch am Abend zu kaufen geben müsse. Doch „gezielt“ wird bei Hussel abends bestimmt nicht konsumiert: „Die Leute, die aus der Umgebung mit ihrem Hund spazierengehen, werden kommen“, schätzt Manueala Simm. „Die wollen gar nicht bei uns shoppen, machen es dann aber trotzdem“, ist sie überzeugt und ordnet liebevoll den nächsten Nußschokoladebarren ins Regal ein.

Ob am Kurfürstendamm oder in der Wilmersdorfer Straße – in den Citybereichen und Einkaufsstraßen, also in der Friedrichstraße, am Alexanderplatz, in der Frankfurter Allee, in der Schloßstraße in Steglitz, am Hermannplatz und in der Karl-Marx-Straße, wird ein Großteil der Geschäfte zukünftig länger offen haben. Ob es überall bis 20 Uhr sein wird oder nur an bestimmten Tagen, oder ob manche schon um 19 Uhr schließen und einige erst um 11 Uhr aufmachen – niemand weiß es bisher genau. „Für die Kunden herrscht noch eine große Unübersichtlichkeit“, klagt die Geschäftsführerin der AG City, Manuela Remus- Woelffling. Von den großen Kaufhäusern, die alle bis 20 Uhr geöffnet haben werden, erwarte der Interessenverband jedoch eine „Sogwirkung“. „Danach werden sich dann alle richten“, glaubt sie.

Doch außerhalb der großen Einkaufsstraßen, in den Kiezen der Stadtteile, wird sich ähnlich wie beim „Dienstleistungsabend“ erst mal nicht viel ändern. „Mal gucken“, „mal sehen, wie voll die großen Geschäfte sein werden“ sind Standardantworten der kleineren Geschäftsinhaber. Regine Kensbock, die im Kreuzberger Wrangelkiez ein gutgehendes Papier- und Spielwarengeschäft besitzt, hat die neuen Regelungen bisher schlichtweg verdrängt. „Wir haben bisher noch gar kein Konzept“, sagt sie entschuldigend.

Genauso wie in der Wrangelstraße hat sich auch in der noch viel belebteren Danziger Straße der lange Donnerstag und verkaufsoffene Samstag nie gelohnt. Deshalb öffnet Evelyn Bratke ihre Mini- Boutique für Damenmoden auf gar keinen Fall bis 20 Uhr. „Wir haben keine Laufkundschaft, sondern nur Stammkundinnen“, begründet sie ihre Entscheidung. „Unsere Kundinnen wissen genau, wann wir geöffnet haben, und kommen dann auch.“ Evelyn Bratke hat aber noch ein ähnliches Lädchen in einem Einkaufscenter im Norden der Stadt. Dort ist sie gezwungen, mindestens am Donnerstag und am Freitag bis 20 Uhr zu öffnen, auch wenn der Umsatz die 20-Uhr-Öffnung möglicherweise nicht rechtfertigt. Höhere Personalkosten entstehen jedoch nicht, denn Evelyn Bratke schließt jetzt einfach nicht mehr um 9 Uhr, sondern erst eine halbe Stunde später auf.

Doch bei den kleineren Geschäften, die von den KundInnen aus der Nachbarschaft leben, denen ganz plötzlich das Bügeleisen durchschmort oder beim Renovieren die Farbe ausgeht, ist die Stimmung eher düster. „Uns wird es durch die neuen Ladenöffnungszeiten noch viel schlechter gehen“, vermutet Joachim Schulz, seit 1978 Inhaber eines kleinen Maler- und Teppichgeschäfts. „Für uns ist das neue Gesetz illusorisch.“ Denn wer einmal vor verschlossen Türen stehe, komme nicht mehr wieder, sondern gehe auch beim nächsten Mal gleich ins Kaufhaus oder in den Baufachmarkt. Da ist ganz sicher geöffnet.

Auch wer nicht abends einkaufen will, hat Vorteile, denn einige Busse fahren zukünftig bis 20 Uhr genauso häufig wie tagsüber. Steglitz: X76, 148, 176, 180, 182, 183, 185; Tegel/Wedding: 120, 224, 328; Zehlendorf: 118; Ku'damm: 119, 129, 185, 219, 249; Neukölln: 144, 167, 241; Spandau: 145; Grünau 263. Der neue Fahrplan gilt ab 27. Oktober.