■ taz-Fernstudium. Heute: Strafrechtsübung für Anfänger: Der Fall Tessenbroich
Überfüllte Hörsäle, drohende Studiengebühren – alle jammern, wir handeln. Um den Bildungsnotstand zu beheben und wieder Chancengleichheit für alle zu garantieren, bieten wir auf der Wahrheit künftig in lockerer Folge die Möglichkeit zum ersten Zeitungsfernstudium. Für diese Projekt kann aus dem riesigen Brainpool der deutschen Professorenschaft zwischen Witten-Herdecke und Frankfurt (Oder) geschöpft werden. Selbstverständlich trennen wir für unsere Leser schon vorher die Spreu vom Weizen, filtrieren sozusagen die Essenz der Essenzen aus Abertausenden von Prüfungsaufgaben, Vorträgen und Memos.
Unser heutiger Gastprofessor heißt Prof. Dr. jur. Joachim Bohnert, der im wirklichen Leben an der FU Berlin doziert. Seine Studenten faxten uns dankenswerterweise eine seiner feinsinnigen Ferienhausarbeiten. Hier die erste Zeitungsfernstudiumsaufgabe im Orginaltext:
„Am Abend war Frau Tessenbroich restlos zu. In undeutlicher Entrückung und bunt tanzten die Wirkungen des Nachmittags vor ihren Augen herum, Designerdrogen, Baccardi-Rum, Softeis, Weckamine und Whisky, dazwischen schrie ihr Kleinknabe Kevin, er hatte Bauchkrämpfe wie seit Wochen, da half nichts. Den wegzumachen, endlich weg, war ihre Aufforderung an den Mann. Wortreich sprang das Kindermädchen bei, die Karin, nichts sei verloren am Krankheitsschelm, längst sei er Last.
Endlich verstand Herr Tessenbroich das Gemeinte und nahm sich die Wanne vor, viel zu voluminös für Kevin, aber recht, nachts noch, für den Garaus. Neben dem Planschenden schüttete er im Wechsel Bier und Wodka in sich, neben sah er Blasen aufsteigen, vor sich Zuchthaus, Gefängnis und Galgen, in letzter Sekunde zog er Kevin über den Wasserspiegel. Beide keuchten, Herr Tessenbroich mit 3,1 Promille im Blut, Kevin Tessenbroich mit einem Viertelliter Wasser in der Lunge und einem halben im Magen.
Weichgestimmt durchs Wohltun trank Herr Tessenbroich den Rest, und keiner bemerkte den vomierenden [kotzenden, Anm. d. Red.] Kevin. Der erstickte eine Stunde danach.
Frage: Wie haben sich die Beteiligten strafbar gemacht?“
Im Rahmen des taz-Zeitungsfernstudiums stellen wir hier noch folgende Zusatzfragen und -aufgaben:
1. Wo war der Gärtner?
2. Zeichnen sie eine Skizze von Herrn Tessenbroich am Galgen.
3. Wieviel Apfelwein muß man auf der Frankfurter Buchmesse trinken, um 3,1 Promille zu zu erreichen?
4. Erforschen Sie die „undeutliche Entrückung“ Frau Tessenbroichs im Selbstversuch mit Baccardi, Softeis und Whisky (nicht mit Designerdrogen!), und schreiben Sie einen Erfahrungsbericht.
5. Wer ist zuständig für die Emeritierung undeutlich entrückter Rechtsprofessoren? Clemens Heidel
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