Im Fokus Japans

■ LehrerInnen aus Tokio waren auf Stippvisite in Bremer Schulen / Ein Interview

Viele Kameras und Videorecorder lagen diese Woche auf den Tischen in Bremer Lehrerzimmern: 26 SchulpädagogInnen aus Tokio waren auf Informationsreise in der Hansestadt. Drei Wochen lang touren die JapanerInnen in Eigeninitiative durch Deutschland; Bremen war ihre zweite Station.

Die taz besuchte die Delegation bei ihrer Stippvisite im Schulzentrum Kornstraße in der Neustadt, Sekundarstufe I. Eiko Yamado, Lehrerin für Naturwissenschaften, war dort zu Gast im Englischunterricht einer zehnten Klasse und anschließend zu einem kleinen Interview bereit.

taz: Warum haben Sie für Ihre Tour neben Frankfurt und Berlin gerade Bremen ausgesucht?

Eiko Yamado: Wir wollen den Schulalltag hier kennenlernen.

Wußten Sie vor dem Besuch schon etwas über das Bremer Schulsystem?

Nun, wir sind ja von unserer Schulbehörde hierher geschickt worden. Das haben wir uns nicht selbst ausgesucht. Es ist eher Zufall, daß wir jetzt hier in Bremen sind. Aber natürlich mußten wir uns dann vor der Reise auch einlesen.

Wie werden denn in der japanischen Fachliteratur Bremer Schulen vorgestellt?

Sie sind ganz anders als japanische Schulen: individuell, international, flexibel. In Japan ist das Schulsystem viel straffer organisiert, es geht im Unterricht viel strenger zu. Es ist so leistungsorientiert, daß sehr viele Schüler zur Nachhilfe gehen müssen. Wahrscheinlich wird das in Deutschland auch so werden.

Ist das Ihr Eindruck?

Ja, die Kinder sind zwar sehr fröhlich im Klassenzimmer, aber sie müssen ja auch viel leisten. In der Klasse eben haben sich manche Kinder gar nicht richtig hingesetzt. Das wäre in Japan überhaupt nicht möglich.

Welche Bremer Schul-Spezialitäten waren denn ganz neu für Sie?

Die verschiedenen Schulbereiche kennen wir in Japan überhaupt nicht. Das ist interessant für uns. Zum Beispiel die „Orientierungsstufe“, von der wir gerade erfahren haben. Oder so etwas Besonderes wie der Unterricht in türkischer Sprache.

Hat Sie der überrascht?

Ja, ich wollte von den Schülern wissen, ob sie selbst Türkisch in der Schule haben wollen, oder ob das eher der Wunsch ihrer Eltern ist.

Was haben die SchülerInnen geantwortet?

Sie haben gesagt, beide wollten das.

Können Sie in Japan nicht auf ausländische Kinder reagieren?

Nein, wir haben sowieso nur wenige chinesische und vietnamesische Kinder in unseren Schulen in Tokio, aber das System ist außerdem einfach zu starr

Japan gilt als vorbildlich in der Vor- und Grundschulversorgung. Welche Vorteile sehen Sie im japanischen Schulsystem?

Es ist gut, daß die Kinder bis zur neunten Klasse alle zusammenbleiben. Alle haben das gleiche Material. Gute und schlechte Kinder werden nicht voneinander getrennt.

Genau das haben aber die Lehrkräfte hier im Schulzentrum Kornstraße bemängelt und die Klassen der Orientierungsstufe in zwei Gruppen aufgeteilt.

Meine Erfahrung ist aber, daß die Kinder sich in der großen Gruppe sicherer fühlen. Das gemeinsame Lernen ist wichtig. Wenn die Kinder sich dann für einen Beruf oder die Universität entscheiden, ist immer noch genügend Zeit zu überlegen, was das Beste für sie ist.

Am Sonntag sind Parlamentswahlen in Japan. Haben Sie schon gewählt?

(Lacht). Nein, wir sind gerade abgereist, als die Wahlzettel verschickt wurden.

Gibt es die Möglichkeit der Briefwahl?

Wir haben so etwas gehört. Wir versuchen das jetzt über das japanische Konsulat in Hamburg.

Interview: Silvia Plahl