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: Ruhig und gewaltlos: Cabreras Film „Die Strategie der Schnecke“

„Wozu Gesetze? Man muß auf den Menschen vertrauen“, wird Jacinto (Fausto Cabrera) in dem kolumbianischen Film „Die Strategie der Schnecke“ immer wieder sagen. Auch Regisseur Sergio Cabrera mag keine Gesetze. Kein Wunder bei seiner Biographie: 1950 ist er als Zehnjähriger mit den Eltern nach China ausgewandert; 1968 nahm Cabrera als Rotgardist an der Kulturrevolution teil. Nach Kolumbien zurückgekehrt, schließt er sich den Guerillas an. Daneben hat er geschauspielert, geschrieben, produziert und gedreht. Filme sind für ihn die einzige Möglichkeit, „gegen die visuelle Übermacht des Nordens zu kämpfen“. Das klingt pathetischer, als es aussieht, denn „Die Strategie der Schnecke“ (1993) kommt ohne ideologische Verkrampfung aus. In einer Mischung aus Neorealismus und theaterhafter Inszenierung erzählt Cabrera lieber von konspirativen Gemeinschaften, zu denen der Priester ebenso gehört wie der Transvestit oder der Sprengstoffspezialist. Die Flagge der Anarchie wird gehißt, aber ruhig und gewaltlos soll es dabei zugehen.

„Was für eine Strategie?“ fragt der sensationslüsterne Reporter den Bewohner eines Hauses, das aufgrund polizeilicher Anordnung geräumt wurde. Und der Mann setzt zu einer Geschichte an über die Casa Uribe, ihre Mieter und deren Strategie. Den Bewohnern droht der Rauswurf. Unrechtmäßig. Deswegen versucht es ihr Anwalt Romero (Frank Ramirez) zunächst per Gesetz. Aber in den Verstrickungen von Spekulanten, korrupten Polizisten und bestechlichen Richtern kommt man damit nicht weiter. Besser, man nimmt das Haus einfach mit, wie es eben Schnecken machen. Zur Musik von „Carmen“ wird das Haus kunstvoll abgetragen. Stein für Stein, Fenster für Fenster, Möbelstück für Möbelstück wird unter strenger Geheimhaltung mit einem Flaschenzug abtransportiert. Und im „besten Spiegel Kolumbiens in seiner gesamten Filmgeschichte“, wie Garcia Márquez den Film von Cabrera genannt hat, dürfen natürlich die Wunder nicht fehlen. Die Erscheinung der Muttergottes gibt ihren Segen zu dem Unternehmen, sogar zum Dynamit. In einer dokumentarisch gefilmten Sequenz explodieren zum Schluß die Grundmauern der Casa Uribe vor den Augen der Polizei und des Richters. Keine Toten, kein Blut, nur ein ziemliches Geknalle und eine Menge verdutzter Hurensöhne. Marilina Kolvenbach

„Die Strategie der Schnecke“ von Sergio Cabrera, 115 Min., bis 6.11., 20 und 22.15 Uhr, fsk am Oranienplatz, Segitzdamm 2