Herzog auf dem Holzweg

Malaysische Tropenholzhändler bezahlen Regenwald-Film für deutsche Schulen. Ihr Lobbyverband greift auch redaktionell in den Film ein  ■ Von Werner Paczian

Berlin (taz) – Wenn Bundespräsident Herzog morgen den „Journalistenpreis Entwicklungspolitik 1995“ verleiht, können Tropenholzhändler in Malaysia die Sektkorken knallen lassen. Prämiert wird unter anderem der ARD-weit ausgestrahlte Film „Tropenholz- Boykotteure auf dem Holzweg“ der Kölner Journalisten Thomas Weidenbach und Uwe Kersken. Mit dem Preis, so das Entwicklungshilfeministerium, sollen „journalistische Leistungen gewürdigt werden, die in hervorragender Weise geeignet sind, Verständnis für die Belange der Entwicklungsländer und die Entwicklungszusammenarbeit zu wecken“.

Doch der Streifen hat einen gravierenden Schönheitsfehler. Von den Umweltgruppen, die zum Boykott von Tropenholz aufrufen, wenn es aus Raubbau stammt, durfte niemand vor die Kamera. Schweigen im Walde auch, was die vom Holzeinschlag betroffenen UreinwohnerInnen betrifft: nicht ein Statement. Selbst Autor Weidenbach hält das heute „für einen möglichen Fehler“, die Preis-Jury mit Hartmann von der Tann von der ARD und Renate Wilke-Launer von der evangelischen Entwicklungszeitschrift Der Überblick störte es offenbar nicht. Sie prämierte einen Film, dessen Kernaussage lautet: Tropenholzboykott schadet den Regenwäldern. „Man hat den Eindruck, daß der Autor völlig den Argumenten der Holzwirtschaft vertraut“, urteilt Florian Siegert vom Zoologischen Institut der Uni München. Der Film arbeite „mit alten oder falschen Zahlen, die entweder von der Unkenntnis des Autors zeugen oder als politisch einflußnehmend zu deuten sind“.

Malaysische Exporteure unterstützen die Filmer

Für die Schieflage gibt es womöglich eine einfache Erklärung: Der prämierte Film schildert das Thema vor allem am Beispiel Malaysia, dem weltweit größten Tropenholzexporteur. Die dortige Holzlobby, der „Malaysian Timber Council“ (MTC), hatte die Filmemacher bei ihrer Arbeit vor Ort unterstützt. Der MTC war von dem Drehmaterial so begeistert, daß er jetzt eine gekürzte Filmfassung mitfinanziert, die ab Ende Oktober über die Landesbildstellen an Schulen ausgeliehen wird. Im Klartext: An deutschen Schulen wird das Thema „Regenwald/Tropenholz“ künftig besonders gründlich aus Sicht der malaysischen Tropenholzindustrie behandelt. Autor der Zweitverwertung: Thomas Weidenbach. Der Journalist hat bereits eingeräumt, MTC und die ebenfalls beteiligte Umweltgruppe „Artists United for Nature“ hätten „als Koproduzenten das selbstverständliche Recht in Anspruch genommen, Korrekturvorschläge zu meinem Manuskript zu machen, von denen einige übernommen wurden“. Nur: „Artists United for Nature“ ist vor der Endfassung ausgestiegen. Ein Sprecher begründet das damit: „Der Film erweckt den Eindruck beim Zuschauer, Tropenholz könne wieder bedenkenlos gekauft werden. Das ist eine falsche Botschaft.“

Produzent des geplanten Schulfilms ist die Münchner „FWU“, die den Kultusministerien der Länder gehört. Die zuständige FWU-Redakteurin Karin Beier bestätigt: „Der MTC hat das von Thomas Weidenbach gedrehte Filmmaterial beim WDR gekauft und uns kostenlos zur Verfügung gestellt.“ Wieviel MTC sich den PR-Spaß hat kosten lassen, mag beim FWU niemand verraten. Trotz der MTC-Finanzspritze sei der Schulfilm ausgewogen, so Beier. Und Autor Weidenbach beharrt darauf: „Die FWU macht allein mit mir die Abnahme des Films.“

Ein Blick in vertrauliche Korrespondenz belegt das Gegenteil. Tatsächlich hat MTC die Zügel in der Hand. Verlängerter Arm von MTC in Deutschland ist die internationale PR-Agentur „Shandwick“. Mitte August schreibt FWU-Redakteurin Beier an den „Lieben Herrn Kaiser“, der bei „Shandwick“ für die MTC-Belange zuständig ist. Sie informiert ihn über geplante Änderungen im Film und geht davon aus, „daß MTC nichts dagegen hat“. Außerdem bittet Beier zu entscheiden, „ob Sie/ MTC doch ein Logo am Filmende einfügen wollen“.

An einer geplanten Filmstelle über „Penan“ und „Iban“, UreinwohnerInnen von Malaysia, vermutet Beier „Konfliktstoff. Mir wäre sehr an einer Vorabklärung mit Ihnen gelegen.“ Weiter fragt sie: „Wäre es in Ihrem Sinne, wenn wir eine Rohschnittfassung erstellen lassen, wenn Dr. Leng sein Okay gegeben hat?“ Der Mann, der da zustimmen soll, heißt mit vollem Namen Dr. Hin Seak Leng und ist Direktor für Internationale Angelegenheiten im MTC. Nach dem Okay, so Beier weiter, könnten „sowohl FWU als auch Shandwick den Film dann abnehmen“.

Regisseur findet Abholzen mit dem Helikopter geil

Die PR-Strategen von MTC haben ganze Arbeit geleistet, nicht nur beim Schulfilm. Regisseur des Werks, das der Bundespräsident prämieren wird, war Uwe Kersken. Der tauchte kürzlich in einer Sonderausgabe des „Tropenwald-Reports“ auf, Herausgeber ist der MTC. In einem Interview gibt Kersken die Tropenholzproblematik ganz im Sinne des MTC wieder: „Die Betroffenen in Malaysia, vom Waldarbeiter bis zum Unternehmer, sind überzeugt, daß sie den Wald erhalten können, auch wenn sie ihn bewirtschaften.“

„Beeindruckend war auch das Helicopter logging“, so Kersken. Dieser Einschlag mit Hilfe von Hubschraubern findet im preisgekrönten Werk und im Schulfilm lobende Erwähnung: „Ein schwerer Lastenhubschrauber steht hier im Dienst einer umweltschonenderen Forstwirtschaft“, heißt es in einem Textentwurf. Der WWF Malaysia kritisiert, per Helikopter würden bisher nicht nutzbare, weil zu steile Berghänge ausgebeutet. Die seien sehr sensibel, es bestehe ein hohes Erosionsrisiko: „Weniger Umweltschäden durch Hubschrauber, das ist nicht wahr.“ Die PR-Strategen vom MTC müssen weiterarbeiten – im eigenen Land.