„Die Geschäftsführung hat die neue Zeit verschlafen“

■ Vernichtung von 243 Jobs bei DeTeWe, Werksschließung bei Otis. IG-Metall-Chef Foede: „Durch Auslagerung steigt Profit“

Der Niedergang der Berliner Metall- und Elektroindustrie geht weiter. Nachdem die Telekommunikationsfabrik DeTeWe bereits in den vergangenen Jahren Betriebsteile nach Köpenick und Hoppegarten ausgelagert hat, sollen jetzt weitere Jobs im Kreuzberger Werk weggestrichen werden. Der Aufzughersteller Otis will seine Produktionsstätte in Pankow gleich komplett dichtmachen. Dort stehen 250 Arbeitsplätze auf der Abschußliste. Während die Unternehmer gerne die angeblich zu hohen Arbeitskosten und den internationalen Wettbewerb als Gründe für den Abbau angeben, spielen in beiden Fällen die subjektiven Entscheidungen des Managements die entscheidende Rolle.

taz: Warum vernichtet DeTeWe jetzt 243 von 1.100 Arbeitsplätzen im Kreuzberger Werk?

Manfred Foede: Die Geschäftsführung hat die neue Zeit verschlafen. Es war lange klar, daß die Telekom von Digital- auf ISDN-Anlagen umstellen und ihre Aufträge im Bereich Digitalisierung an DeTeWe reduzieren wird. Das ist jetzt passiert. Die Chefetage hat die Hinweise des Betriebsrates und der Industriegewerkschaft Metall völlig ignoriert.

Wie lange haben Sie die Manager schon bearbeitet?

Vor mindestens zwei Jahren waren die Probleme bereits Thema auf einer Betriebsversammlung.

Könnte die Herstellung in Kreuzberg mit neuen Produkten aufrechterhalten werden?

Die Abteilungen für Konstruktion und Entwicklung sind ja in Ordnung. Wenn man noch einmal versucht, auf Basis von ISDN technische Neuerungen einzuführen, könnte ich mir vorstellen, daß DeTeWe wieder ins Geschäft kommt. Auch in Kreuzberg.

Vor Jahren schon wurden Teile des Betriebes nach Köpenick und Hoppegarten verlagert. Standen die Reste des Kreuzberger Werkes nicht sowieso auf der Abschußliste?

Ursprünglich nicht. Die Firmenleitung hoffte einfach, daß sie das Werk mit den alten Produkten auch in Zukunft auslasten könne.

Die Aufzugfabrik von Otis in Pankow soll komplett geschlossen werden. 250 Jobs stehen auf dem Spiel. Notwendiger Strukturwandel oder Fehler des Managements?

Als Aufsichtsratsmitglied bei Otis muß ich sagen: Es ist absolut nicht notwendig, die Produktion in Berlin aufzugeben. Die Herstellung von Aufzügen macht zwar Verluste, aber man hätte die Produktion rationalisieren und auf einen modernen Stand bringen können. Das haben unsere Gespräche mit der Betriebsleitung auch ergeben.

Warum steht das Werk dann vor dem Exitus?

Die Geschäftsleitung wollte es hier nicht aufrechterhalten. Angeblich ist die Produktion von Aufzügen im westfälischen Hallenberg billiger. Wir halten den dortigen Betrieb allerdings für eine Klitsche. Die Konzentration der Herstellung in Berlin wäre wesentlich sinnvoller.

Demnach ist auch die Auslagerung der Produktion von Antrieben ins Niedriglohnland Tschechien nicht notwendig?

Diese Betriebsteile schreiben schon heute schwarze Zahlen. Mit der Auslagerung nach Tschechien werden sie noch schwärzer. Der Profit fällt dann höher aus.

Wer entscheidet bei Otis, der Chef in Deutschland oder die Europazentrale in Paris?

Die Europazentrale von Otis sagt: Jetzt brauchen wir Kapitalismus pur. Die Umsatzrendite muß hoch, koste es, was es wolle. Die Geschäftsführung hier muß diesem Druck folgen und kann gar keine eigenen Entscheidungen treffen.

Wieviel Gewinn hat Otis Deutschland im vergangenen Jahr gemacht?

In den vergangenen neun Monaten waren es über 60 Millionen Mark Gewinn vor Steuern. Interview: Hannes Koch