AKW Krümmel darf nicht ans Netz

Der Verdacht, daß der Reaktor für Leukämiefälle in der Nähe verantwortlich ist, muß geprüft werden. Rot-grüne Landesregierung darf Genehmigung vorerst nicht erteilen  ■ Aus Schleswig Kersten Kampe

Die gegen das Atomkraftwerk Krümmel klagende Umweltschützerin Renate Backhaus hat einen wichtigen Erfolg erstritten. Das wegen der Leukämiefälle umstrittene AKW muß vorerst abgeschaltet bleiben. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Schleswig entschied gestern, daß der Genehmigungsbescheid des Kieler Energieministeriums von 1991 für neuartige Brennelemente einstweilen ausgesetzt wird. Ursprünglich hatte die Kieler Behörde gestern die Genehmigung für das Wiederanfahren des Reaktors erteilen wollen. Das AKW war Ende August wegen der jährlichen Revision abgeschaltet worden.

Der Vorsitzende Richter des Vierten Senats, Hans-Dieter Roos, sagte, das Gericht wolle schlicht „Zeit für eine dem Verfahren angemessene Aufklärung des Sachverhalts als Entscheidungsgrundlage gewinnen“. Es sollten vor der endgültigen Entscheidung über den Eilantrag keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden.

Die niedersächsische BUND- Vorsitzende Renate Backhaus hatte Anfang der Woche beim OVG den Eilantrag gestellt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Genehmigung aus dem Jahr 1991 wiederherzustellen. Backhaus hatte Mitte August vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin in Teilen recht bekommen.

Bei wesentlichen Änderungen am Reaktor muß nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts künftig der gesamte Sicherheitsstandard der Anlage nach dem neuesten Erkenntnisstand überprüft werden. Die Schleswiger Richter, an die das BVG den Fall zurücküberwies, sollen prüfen, ob das Kieler Energieministerium als Genehmigungsbehörde auch unter der Berücksichtigung der bekanntgewordenen Leukämiefälle bei seiner Genehmigung dem Gebot der Schadensvorsorge genügt habe. Das Energieministerium hatte im April 1991 den Einsatz neuartiger Brennelemente in Krümmel erlaubt.

Roos erläuterte, daß Backhaus in dem Eilantrag vorsorglich beantragt hatte, bis zur Entscheidung des Gerichts über den Eilantrag die Wiederaufnahme des Betriebs zu untersagen. Der Vorsitzende Richter sagte, „wenn ganz eindeutig ist, daß der Antrag von Backhaus keinen Erfolg hätte, dann hätten wir diese Entscheidung nicht gemacht“. Die Entscheidung des Gerichts bedeute aber noch nicht, daß die Klage von Backhaus Erfolg habe. Rein theorisch sei es möglich, daß die Betreiber, die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW), den Betrieb mit älteren Brennstäben aufrechterhalten, meinte Roos. Allerdings müßte auch dafür erst eine Genehmigung beantragt werden.