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T-Aktien im Sonderangebot

Eine Berliner Bank lud Telekom-Aktionäre zu einem „lebhaften Abend“ ein. Doch im halbvollen ICC machte sich nur beschwingte Zähigkeit breit  ■ Von Gunnar Leue

Es ist immer dasselbe in diesen Tagen. 18 Uhr und Feierabend auf der Auto-Messe, aber die Leute können sich nur langsam von den glitzernden Vehikeln trennen. Als müßten sie noch heute entscheiden, in welches Mobil sie ihr nächstes Erspartes investieren werden. Dabei gibt's die Dinger doch ständig und überall zu kaufen. Im Gegensatz zur T-Aktie, die gibt's erst jetzt und angeblich nie wieder so günstig, wie uns Telefonmuffel Manne Krug schon seit Wochen becirct.

Wer also trotz Autokaufabsicht noch ein paar Mark übrig hatte, der ging am Mittwoch abend gleich rüber ins ICC, wo die Berliner Bank zum gemütlichen Info- Abend einlud. Parken und Imbiß gratis. Die Banker boten sich quasi als Erste-Hilfe-Profis an für ein Volk im Aktienfieber, wie Telekom-Chef Ron Sommer diagnostiziert hatte. Etliche der Neukranken waren allerdings schon so geschwächt, daß sie den Weg ins ICC nicht mehr schafften. Der Saal mit 1.400 Plätzen blieb zur Hälfte leer. Nichtsdestotrotz bewies die Zusammensetzung der Erschienenen, daß der Krugsche Appell an die Geldgier allgemeine Wirkung erzielt hat. Unter den Besuchern fanden sich jeansbekleidete Normalos, adrett gestylte Spät-Yuppies, Rentner im Sonntagsanzug und Motorradfahrer mit Helm. Statt Kino- oder Theaterbesuch hieß das Ausgehziel halt diesmal Info-Abend T-Aktie. Eine gewisse Gediegenheit umhüllte die Szenerie, schließlich gab man sich als seriöser Aktieninteressent. Die Atmosphäre im Saal war denn auch von Wissensdrang geschwängert.

Vertieft studierten die Besucher die auf den Plätzen ausliegenden Statistiken über die Telekom, die gespannte Ruhe zeigte: Die Leute schienen sich echt etwas von diesem Abend zu erwarten. Auch meine Nachbarin, Typ Wilmersdorfer Witwe, harrte mit Hut und Goldgeschmeide der Experten- Tips. Wenngleich sie die Hoffnung auf einen „lebhaften Abend“, die der verantwortliche T-Aktien- Vertreiber der einladenden Bank in seinem Eingangsstatement äußerte, weniger zu teilen schien. Zu Recht, denn die Referenten versuchten das Publikum vor allem mit Folien vom Projektor zu verzaubern.

Los ging's mit einem Grundsatz- Referat über die Konjunktur im allgemeinen und bunten Diagrammen von Auftragseingängen und Inflationsprognosen, natürlich wurde auch der Euro gestreift. Fazit: Die Konjunktur, sie ist da und bleibt noch eine ganze Weile. Also bis hierher kein Grund zur Panik. Der erste Beifall des Abends war fällig. Beschwingt zäh ging's weiter zur „Bedeutung der T-Aktie für die Aktienkultur und das Anlegerverhalten in Deutschland“. Wichtige Erkenntnis: Aktien sind profitabel, aber – no risk, no fun, wie man schon mal etwas Anlegerdeutsch lernen konnte – ein Aktienkurs schwankt durchschnittlich 20 Prozent im Jahr. Achtung besonders, wenn der Dax wie jetzt sehr hoch ist, denn oben ist die Luft immer dünn. Das versteht jeder. Aktien anlegen und ab in den Urlaub, geht nicht. (Jedenfalls nicht ohne Handy, am besten von der Telekom, möchte man hinzufügen.)

Oma Nachbarin hat die Risiken notiert, zeigt aber weiterhin kein Anzeichen von Nervosität oder gar Fieber. Beim nächsten Vortrag wird's richtig spannend – muß es auch, denn die Konzentration der Zuhörer beginnt zu erlahmen. Die Telekom als Unternehmen wird unter die Lupe genommen, ein superwichtiger Punkt. Als Highlights zählen u.a.: 40 Millionen Telefonanschlüsse, fast abgeschlossene Netzdigitalisierung und, nicht zuletzt, die Einleitung des großen Personalabbaus. Unterm Strich gibt's deshalb nur eine Empfehlung aus dem Podium: „Zeichnen!“ Beifall, nun auch von Frau Nachbarin, bevor sie – offenbar gut bedient – vorzeitig von dannen schleicht. Der Rest betreibt noch das Spiel Bürger fragen, Banker antworten. Oder auch nicht.

Nämlich als eine Besucherin die „zugegeben sentimentale Frage“ stellt, wie die Telekom angesichts der geplanten Massenentlassungen der Verpflichtung nachkommen wolle, daß Eigentum zum Allgemeinwohl beizutragen habe. Als der offensichtlich ranghöchste Banker erwidert, diese Veranstaltung sei nicht der Ort zur Diskussion darüber, denn es ginge hier nicht um Arbeitslose, sehen das die potentiellen T-Aktionäre genauso. Es gibt Applaus. Trotzdem will der Bankmensch zum Schluß noch mal betonen: „Daß der Mensch im Mittelpunkt steht, sieht man auch an der Liste auf Ihren Plätzen. Da finden Sie unsere Filialen, wo Sie sich noch einmal persönlich beraten lassen können.“ Zuvor dürften die Gäste aber noch das kostenfreie Buffet im Foyer stürmen.

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