Der Fluch der Sterne (Teil 1) Von Klaudia Brunst

Eigentlich fand die Idee ja niemand wirklich gut. Außer unserer Nachbarin natürlich, die uns so lange bearbeitet hatte, bis wir uns an den Kosten für ihre astrologische Jahresberatung 1997 beteiligten. „Sooo teuer ist das gar nicht“, verteidigte sie ihren Spleen, während sie am Ende unseres Doppelkopfabends von jedem die 150 Mark und die Fragebögen mit unseren astrologischen Stammdaten wieder einsammelte. „Immerhin ist Frau Molnari bekannt aus Funk und Fernsehen. Und im übrigen war sie die einzige, die zu diesem Gruppenpreis überhaupt einen Hausbesuch anbietet.“ – „Bringt sie denn wenigstens ihre Karten selbst mit?“ wollte meine Freundin argwöhnisch wissen, und es klang ein wenig, als würde sie fragen, ob die Dame wohl in der Lage sein würde, sich die Füße vor der Tür abzuwischen.

Ihre Skepsis legte sich allerdings, als Frau Molnari am letzten Sonntag pünktlich auf der Matte stand. „Frau Möllner!“ rief meine Freundin erstaunt aus, und schüttelte der unscheinbaren Frau herzlich die Hand. Es stellte sich heraus, daß die beiden sich aus dem Elternbeirat ihrer Kita kannten. Frau Möllner war zunächst etwas konsterniert über die Lage und flüsterte immer nur: „Hätte ich das vorher gewußt...“, und hätte mein schwuler Freund nicht darauf bestanden, die Seance nun auch abzuhalten („Bezahlt ist bezahlt!“), wäre es sicher nie so weit gekommen.

So aber breitete Frau Möllner wenig später pflichtbewußt ihre Karten aus und versuchte das Beste aus der verfahrenen Sitution zu machen. „Sie sollten etwas für ihren beruflichen Werdegang tun“, ermahnte sie unsere Nachbarin, und daß „gerade der September ein problematischer Monat“ sei, weil dort ab Monatsmitte die Quadratur des Mars auf ihre Sonne fällt, so daß „vor voreiligem, überstütztem oder gar gewaltsamen Handeln dringend zu warnen sei“. – „Nur im September?“ flüsterte mir mein schwuler Freund kichernd ins Ohr, während Frau Möllner sich meiner Freundin zuwandte. Vor allem der Liebesstern stünde für sie günstig, schmeichelte sie meiner Freundin. Eine stabile Beziehung, neue Anregungen im Wohnbereich und die Hinwendung zu einer etwas einfacheren Lebensführung sehe sie in ihren Karten. „Aufs Land!“ freute sich meine Freundin und hätte Frau Möllner fast umarmt. „Wir ziehen endlich aufs Land!“

Auch meinen schwulen Freund konnte Frau Möllner mit wenigen Worten glücklich machen. Wer bekommt nicht gerne ein lukratives Aktiengeschäft prophezeit! Daß der Tip mit den Telekom-Aktien von seinem Bruder stammen solle, er aber gar keinen Bruder hat – nun ja!

Irgendwie war mir klar, daß nun ich an der Reihe war. Also gut, dann würden wir eben doch aufs Land ziehen. Dem Hund täte das sicher ganz gut, und die Mieten sollen in Brandenburg sowieso billiger sein als hier in Kreuzberg.

Mäßig interessiert lauschten wir, was die Karten mir zu bieten hatten. „Oh, wie schön!“ rief Frau Möllner und schaute verzückt zwischen mir und meinem schwulen Freund hin und her. „Ein Baby! Ich sehe es ganz deutlich vor mir!“ – „Wird es eine Brille tragen müssen?“ fragten wir beide und konnten uns vor Lachen kaum halten. Aber da fiel unser Blick plötzlich auf das Gesicht meiner Freundin...

(Fortsetzung folgt)