Berlins Konkurs noch mal verschleppt

■ Die Große Koalition stopft ihr Haushaltsloch mit dem Verkauf von Tafelsilber und spart sich grundlegende Strukturveränderungen. Kultur und Wissenschaft werden zur Ader gelassen, aber kein Theater soll schließen müssen

Berlin (taz) – Zeitweise schlitterte der Berliner Senat am Koalitionsbruch entlang, am Ende aber präsentierten die Akteure von SPD und CDU doch noch einen Etatentwurf für das kommende Jahr. Gestopft werden mußte ein Haushaltsloch von sieben Milliarden Mark. Die Koalition will dies durch den Verkauf des Tafelsilbers erreichen: An Landesbeteiligungen sollen rund 5,8 Milliarden veräußert werden. Allerdings konnte auch in sechstägigen Verhandlungen nicht festgelegt werden, was im einzelnen verkauft werden soll. Fest steht bislang lediglich die komplette Veräußerung des Berliner Energieversorgers Bewag. „Wir wären doch blöde, wenn wir uns nicht an der Marktlage orientieren würden“, begründete der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) die Nichtbenennung der zu veräußernden Vermögensanteile.

Weitere 1,4 Milliarden Mark will der schwarz-rote Senat in den einzelnen Etats der Senatsverwaltungen durch Einsparungen und Gebührenerhöhungen erwirtschaften. Dabei mußten vor allem der Kultur- und der Wissenschaftsetat weitere Einsparungen verkraften. Um 100 Millionen Mark wird der Etat des Kultursenators Peter Radunski (CDU) bis 1999 gekürzt. Damit sei „dennoch die Vielfalt der Berliner Kulturlandschaft gewahrt“, so Diepgen. Es gebe keine Schließungen von Theatern.

Diepgens Tenor auf die mühsam errungene Einigung war eher gedämpft: „Nicht berauschend, aber vertretbar“, kommentierte der Christdemokrat das Ergebnis. Vor allem das hartnäckige Festhalten der SPD an der Erhöhung der Gewerbesteuer hatte offenbar beinahe das Ende der Zusammenarbeit eingeläutet. Schweren Herzens habe er dieser Forderung zugestimmt. Denn seine Aufgabe sei es, die „Koalition zusammenzuhalten“, erklärte Diepgen. Während die SPD die Erhöhung der Gewerbesteuer ab Januar von 340 auf 390 Prozentpunkte und auf 410 in 1999 erhöht wird, erreichte die CDU massive Vermögensverkäufe.

Die Hochschulen Berlins müssen, obwohl bereits im Frühjahr mit Einsparungen von knapp 270 Millionen Mark belegt, nun auf weitere 150 Millionen Mark verzichten. Der Präsident der Technischen Universität Berlin bezeichnete den erneuten Schnitt in die Hochschulhaushalte als „unvorstellbar und unglaublich.“

Als Erfolg wertete Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) die strukturellen Veränderungen im Berlinbudget bis zur Jahrtausendwende. Sie zählte dazu den beschlossenen weiteren Abbau von 5.000 Stellen im öffentlichen Dienst ab dem Jahr 2000. Der Senat hat bereits im Frühjahr damit begonnen, 19.300 Stellen beim Staat wegfallen zu lassen. Die Berufsaussichten vor allem für Hochschulabsolventen werden dadurch erheblich verschlechtert. Schon jetzt herrscht in Berlin eine Arbeitslosenquote von 16 Prozent.

Das mutigste Projekt des Senats dürfte die Reduzierung der Bezirke sein. Von den 23 halbselbständigen Einzelkommunen, in die sich Berlin seit 1920 gliedert, sollen nur noch 12 übrigbleiben. Die Reduzierung, zu der es in den letzten Jahren bereits mehrere vergebliche Anläufe gab, soll schon bis Mitte 1997 abgeschlossen sein – ein „mutiger Zeitplan“, so Diepgen. cif/sev Tagesthema Seite 3