: Musik eben
■ Das Prinzip Offenheit: Robert Lippok und DJ Phantom 309 als Veranstalter
Nachdem Techno inzwischen alles weggeblasen hat, was die Achtziger an Images, Genres, Frisurprobleme und ähnlichem aufgehäuft hatten, ist wieder Platz für Neues frei geworden. Und schon beginnt sich an den verschiedensten Ecken und Enden ein Universum aufzufalten, in dem erst einmal alles möglich scheint.
„Thirteen Steps to the Atom“ werden in diesem Sinne der freien Kombinierbarkeit alle vierzehn Tage und einen Winter lang den Roten Salon in ein Testfeld für Konstellationen zwischen Soundsystemen, DJs, Liva PAs, Samplern und anderen digitalen und analogen Klangerzeugern umorganisieren. Robert Lippok, der zusammen mit seinem Bruder immer wieder Ornament und Verbrechen neu erfindet, und mit To Roccoco Rot in einer Band mitspielt, deren Bassist die personelle Schnittstelle zu der Düsseldorfer Formation Kreidler darstellt, hat die Reihe zusammen mit dem Jungle-DJ Phantom 309 konzipiert.
Ornament und Verbrechen haben seit 1983 Offenheit in jeder Hinsicht zu ihrem Prinzip gemacht, vom Duo bis zur Big Band wurden alle Bandkonstellationen durchgespielt. Wenn die Musik selbst zu langweilig wurde, wartete man ab und fing dann wieder Neues an. Diese Herangehensweise entspricht ganz gut der allgemeinen Verfassung in der posttechnoiden Ära. So lassen die obenerwähnten Kreidler Plattenaufleger und Unterhaltungselektronik gegen eine traditionelle Rhythmussektion aus Baß und Schlagzeug antreten. Noch naheliegender ist die Antwort, die Analogue Freestyles auf die Ermüdungserscheinungen der Entertainmentmaschine Techno parat haben. Die Berliner spielen Drum+Bass mit Synthesizer und Schlagzeug live.
Im ersten der „Thirteen Steps to the Atom“ traten Analogue Freestyle dann zwar ohne ihre beiden Schlagzeuger im Roten Salon auf, was nicht gerade egal, aber als Möglichkeit wohl mit gedacht ist. Solange es aus den Boxen wummert, kommt eben Musik raus. Drum und Bass werden von Tonträgern eingespeist, der Rest ist Improvisation am Keyboard und den Pedalen von Effektgeräten. Von einer der roten Couchs aus betrachtet, erinnert das an eine Bebop-Session, und daß Jungle mehr als nur strukturelle Ähnlichkeiten mit Jazz haben könnte, haben wir ja schon irgendwie geahnt.
Ganz anders ging am letzten Donnerstag Curd Duca mit Maschinen um. Kurze Erinnerungsfragmente in Form von Easy-Listening-Samples wurden als Schleifen dargeboten. Für Step3 ist MoveD vom Heidelberger Technolabel Source vorgemerkt. Er hatte mit „Kunststoff“ für die beste deutsche Techno-LP des vergangenen Jahres gesorgt. Ulrich Gutmair
Step 3 am 7.11., Roter Salon, Volksbühne
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