„Da stimmt die Chemie“

Suharto setzt große Hoffnungen auf den Besuch von Helmut Kohl in Indonesien. Die Opposition auch, aber aus ganz anderen Gründen  ■ Aus Jakarta Jutta Lietsch

„Der Kanzler“, sagt ein indonesischer Oppositioneller hoffnungsvoll, „ist ein einflußreicher Mann.“ Der 75jährige Präsident Suharto höre „auf keinen Politiker aus Europa so sehr wie auf Helmut Kohl“. Ein deutscher Wirtschaftsvertreter in der indonesischen Hauptstadt Jakarta stößt ins gleiche Horn: Der Bonner und der indonesische Regierungschef verstünden sich prächtig: „Da stimmt die Chemie.“

Zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren reist Helmut Kohl an diesem Wochenende in die indonesische Hauptstadt, mit drei Ministern und einer hundertköpfigen Unternehmerdelegation im Gefolge. Auf der Tagesordnung steht vor allem eines: Wirtschaftsförderung. Dafür will der deutsche Kanzler sein ganzes Gewicht und seinen guten Draht zu dem indonesischen Diktator einsetzen.

Die Deutschen sollen, so Kohl, den Anschluß an den asiatischen Markt nicht verlieren. Indonesien mit seinen 195 Millionen Einwohnern und einem Wirtschaftswachstum von mehr als sieben Prozent in den vergangenen Jahren ist nach Ansicht der Bonner Politiker das ideale Sprungbrett zu dem bevölkerungsreichsten Kontinent.

Zwar sind die meisten großen deutschen Unternehmen, darunter Siemens, die Telekom, Klöckner und Ferrostaal, längst in Indonesien präsent – und teilweise ebenso weithin sichtbar wie die Deutsche Bank. Die baut gerade eine stattliches Hochhaus mitten in Jakarta. Doch immer noch liegen die Deutschen mit Investitionen von rund fünf Milliarden Mark seit 1967 nur an zehnter Stelle.

Dabei versprüht der Leiter der deutsch-indonesischen Industrie- und Handelskammer in Jakarta, Fritz Kleinsteuber, Unmengen an Optimismus, wenn er von den Chancen deutscher Klein- und Mittelständler in Südostasien spricht. In wenigen Jahren werde sich ein großer südostasiatischer Binnenmarkt entwickeln. Dann gäbe es hier eine kaufkräftige Mittelschicht von vielleicht 50 Millionen Menschen zwischen Thailand und Indonesien, meint er.

Kleinsteuber lobt zugleich die Politik der Bundesregierung, die so wunderbar mit den Unternehmen zusammenarbeite. Für ihn wird eine „Vision“ wahr, wenn Entwicklungshilfe, staatliche Kreditinstitutionen und private Investoren Hand in Hand für ein gemeinsames Ziel zusammenarbeiten: die Förderung der deutschen Wirtschaft. Als sichtbares Zeichen dafür entsteht in der auf dem Reißbrett geplanten neuen Stadt Bumi Serpong Damai bei Jakarta ein deutsches Industrie- und Handelszentrum, eine deutsche Schule und ein deutsches Berufsbildungsinstitut.

Wirtschaftsminister Günter Rexrodt hat bei dieser Reise eine undankbare Aufgabe: Er soll beim heutigen deutsch-indonesischen Forum für Wirtschaft und Technologie die indonesische Regierung zum Kauf des Transrapid überreden. Dieser empfindliche Hochgeschwindigkeitszug, den schon in Deutschland niemand so recht haben will, soll nach dem Wunsch der deutschen Industrie zwischen Jakarta und der Industriestadt Surabaya hin- und herflitzen.

Für Gastgeber Suharto ist der Besuch „seines Freundes“ – er wird mit Kohl als „persönlichen Gast“ den Sonntag auf einer kleinen Insel nahe Jakarta verbringen – eine willkommene Abwechslung von den Unannehmlichkeiten der letzten Wochen.

Die Regierung in Jakarta ist immer noch schockiert von der Friedensnobelpreisverleihung an die beiden Osttimoresen Bischof Carlos Belo und den Unabhängigkeitsaktivisten José Ramos Horta. Plötzlich ist die Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit wieder auf das fast vergessene Ost- Timor gerichtet, in dem das indonesische Militär seit zwanzig Jahren mit aller Gewalt jeden Widerstand gegen die Annexion unterdrückt. 200.000 Menschen sind unter der Besatzung umgekommen – mehr als ein Viertel der Bevölkerung.

Heftige Kritik mußte sich Suharto jedoch auch im eigenen Land gefallen lassen: Die von ihm selbst eingesetzte Menschenrechtskommission warf der Regierung kürzlich „unverhältnismäßige Gewalt“ im Zusammenhang mit den schweren Unruhen in Jakarta Ende Juli vor. Nachdem damals Polizei und Militär die Parteizentrale der Demokratischen Partei Indonesiens (PDI) von AnhängerInnen der Suharto-Herausfordererin Megawati Sukarnoputri geräumt hatten, waren Tausende durch die Hauptstadt gezogen, hatten Autos und Geschäftshäuser in Brand gesteckt. Mindestens fünf Menschen starben an jenem Tag, von 23 anderen fehlt noch jede Spur.

Daß die Unruhen den Zorn der Bevölkerung über die sich erweiternde Kluft zwischen Arm und Reich, über die Willkür der Armee und die Habgier der Suharto-Familie und ihrer Günstlinge widerspiegelten, nahm Suharto nicht zur Kenntnis. Nach dreißigjähriger Herrschaft hat der Präsident offensichtlich den Kontakt zur Realität verloren, glauben viele in Jakarta.

Statt dessen machte die Regierung eine „kommunistische Verschwörung“ für die Ereignisse verantwortlich. Hunderte wurden verhaftet – darunter zahlreiche Gewerkschafter und Bürgerrechtler, die Suharto schon lange ein Dorn im Auge waren. Verhaftete berichten von Mißhandlungen mit Elektroschlagstöcken und glühenden Zigaretten, die auf ihrer Haut ausgedrückt wurden. In dieser Situation hoffen indonesische Oppositionelle auf jeden, der sich für die politischen Gefangenen einsetzen könnte. Auch auf Kohl.