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■ VorschlagSüßer die Glocken nie klingen: Suede mit zehn Glitzerdingern im Huxley's

Tierisch häßlich, das Cover der neuen Suede-LP. Auf einer alten Matratze räkeln sich, teils nur als Silhouetten erkennbar, zwei Frauen und ein Mann, über den giftgrünen Hintergrund ist krakelig der Titel geschmiert. „Coming Up“ – wohl irgendwie Sex oder so, bi als Zitat von „bi“. Inmitten des britischen Sechzigerrevivaluniversums fliegt etwas alleine, aber unbeirrt, Suedes „Astral Plane“ des Neunziger/Siebziger Glam Rocks, David Bowie als Galionsfigur.

In letzter Zeit war es eher ruhig um die Band geworden. 1994, nach dem Weggang des Gitarristen (ausgerechnet) anläßlich der Präsentation der zweiten LP, waren die Lieblinge der britischen Herbeischreiber bei den Musikblättern plötzlich rasant wieder weggeschrieben worden – vielleicht weil „Dog Man Star“ etwas episch geraten war für die 35jährigen Teenage-Herzen der Hype-Presse. Doch so was ist schnell verziehen, wenn die neue Single einmal von null auf drei geschossen ist. Wenn Oasis und Blur die Sechziger recyceln, überholen Suede die Siebziger auf der Gegenfahrbahn der Retromoden. Mit dem vielversprechenden neuen Gitarristen Richard Oakes haben Suede zehn Glitzerdinger zwischen David Bowie und Elysium, Billigamüsement und künstlerischer Größe, Einzelkämpfertum und Selbstverliebtheit geschaffen.

Sänger Brett Anderson hat es nicht mehr nötig, halbnackt unter der Überschrift „Born to be Wilde“ auf Titeln von Zeitgeistmagazinen zu posieren. Statt dessen schauen wir einem (wohl) nüchternen, keusch in Hemd oder Lederjacke gehüllten Menschen in die schwarzumrandeten Augen und fragen uns: Wollen wir nicht auch ein bißchen Trash sein, gleichzeitig „lovers on the streets“ und „litter on the breeze“? Suedes Lieder sind Hymnen an die Nacht, in der es von „Drag Acts, Drug Acts, Suicides“ wimmelt – von „Animal Lovers“ ganz zu schweigen. Und das unterscheidet sie von den Dreitagebart-Prolls von Oasis, die aus ihrer Working-class-Herkunft ein eher konventionelles Image gezimmert haben. Im Vergleich zu den braven Bad Boys sind Suede immer noch die „kühnste, mysteriöseste, perverseste, aufreizendste, verführerischste, ironischste, fröhlichste, melodramatischste und anziehendste Band, in die ihr euch je verlieben werdet“. Georg Götz

Suede zusammen mit den Boo Radleys heute abend, 21 Uhr im Huxley's, Hasenheide 108-114, Neukölln

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