Index on Censorship

Die von Michael Ignatieff in der letzten Auswahl eingeleitete Diskussion über Wahrheitskommissionen und traumatisierte Nationen wird hier mit drei weiteren Texte fortgeführt bzw. konkretisiert. Swetlana Alexijewitsch schreibt über ihre Desillusionierung als Journalistin, die noch an den heldenhaften Soldaten geglaubt hatte, und über ihre Probleme, über Krieg und Menschenrechtsverletzungen zu schreiben. Der südafrikanische Sicherheitsoffizier Gerrie Hugo, der für Folterungen unter dem Apartheidregime verantwortlich war, spricht über seine Bereitschaft zur Zeugenaussage vor der Wahrheitskommission und beschreibt, wie er dadurch zum Feind seiner ehemaligen Kollegen wurde. Und der nordirische Soziologe Bill Rolston denkt darüber nach, ob eine Wahrheitskommission für Nordirland überhaupt Sinn machen würde.

Sie alle schlagen sich mit der Frage herum, ob uns die Wahrheit mehr zur Versöhnung miteinander geneigt macht — oder gar das Gegenteil bewirkt. Aus ihren Erfahrungen geht hervor, daß es nahezu unmöglich ist, angesichts grausamer Wahrheiten ein Bild vom Menschen, von sich selbst, zu bewahren, das Hoffnung auf ein Zusammenwirken von Aufklärung und Versöhnung machen könnte. Die Erfahrung traumatisierter Nationen legt nahe, daß Versöhnung mit dem anderen vor allem die Versöhnung mit einem schmerzlich korrigierten Selbstbild sein muß. Uta Ruge, London