UBA droht mit Abrißbirnen

Das Umweltbundesamt muß nach Dessau ziehen – und will denkmalgeschützte Bauten abreißen lassen, weil der Unterhalt angeblich zu teuer käme  ■ Thomas Busch

Dessau (taz) – Im Drama um den Umzug des Umweltbundesamtes von Berlin nach Dessau scheint sich ein neues Kapitel anzubahnen. Im Mai dieses Jahres hatte der Bundestag der Verlegung des UBA nach Sachsen-Anhalt zugestimmt. In der „Bauhausstadt“ Dessau stehen gleich zwei Standorte zur Auswahl: zum einen ein Kasernengelände im Ortsteil Alten, zum anderen das ehemalige „Gasviertel“, eine Industriebrache in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs.

Im Gasviertel hat Flugzeugbauer Hugo Junkers seine revolutionierende Arbeit begonnen, die in die Entwicklung des ersten Ganzmetallflugzeugs der Welt mündete. Nicht zuletzt deswegen stehen einige der Gebäude unter Denkmalschutz, die Duisburger „Gesellschaft für Industriekultur“ erhebt das Gasviertel gar in den Rang eines internationalen Denkmals.

Sowohl die Stadt Dessau als auch das UBA selbst ziehen das Gasviertel dem Standort Alten vor – während die Stadt Impulse für die Innenstadtbelebung erwartet, sieht das UBA vor allem Vorteile für den „überregionalen Besucherverkehr und die ständig anfallenden Dienstreisen“. Jedoch sieht sich das UBA außerstande, alle existierenden Gebäude zu übernehmen, und hat auf der letzten Stadtratsitzung darauf gedrungen, einem Abriß mehrerer Gebäude zuzustimmen, darunter auch Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen.

„Das UBA steht in einem Gewissenskonflikt zwischen Erhalt und Abriß“, so Holzmann. Jedoch hatte sich Holzmann auf der letzten Stadtratssitzung mitnichten für den Erhalt der Gebäude stark gemacht, sondern die Stadträte vor die Wahl gestellt: entweder Umzug ins Gasviertel bei Abriß einiger Gebäude bis zum Jahr 2000 oder aber Ansiedlung im Stadtteil Alten, jedoch nicht vor dem Jahr 2005. Peinlich ist nun, daß mittlerweile eine „interne und vertrauliche Planung“ aufgetaucht ist, wonach das UBA bis zur Jahrtausendwende nur mit einer etwa 30 Personen umfassenden „arbeitsfähigen Einheit“ nach Dessau kommen wird. Zwar ist die Planung so geheim, daß sich selbst Holzmann auf Nachfrage „völlig überrascht“ gab, aber auch er mußte einräumen, daß baubedingt ein vollständiger Umzug bis zum Jahr 2000 illusorisch ist.

Schon während der entscheidenden Stadtratssitzung war von Nötigung die Rede, nach Bekanntwerden des „Mini-Umzugs“ fühlen sich einige Dessauer Stadträte nun sogar betrogen. Zwar hatten sie mit satter Mehrheit dem Abriß zugestimmt, jedoch auf baldige Belebung des Dessauer Arbeitsmarktes durch den Umzug des UBA hoffend.

Das UBA führt im wesentlichen zwei Gründe für den Abriß an: So sei eine optimale Nutzung der Gebäude nicht möglich, ferner sei die Sanierung fast so teuer wie ein Neubau, der dann unter ökologischen Gesichtspunkten erfolgen könnte. Allerdings ist das für die eventuelle Nutzung entscheidende Raumprogramm noch in Arbeit, so daß eine endgültige Bewertung folgerichtig noch gar nicht getroffen werden kann.

Selbst das Magdeburger Umweltministerium spricht nun von Druck und Erpressung seitens des UBA: Immerhin stellt die Ansiedlung des UBA in Dessau ein Glanzlicht der in der Region Dessau-Bitterfeld-Wittenberg stattfindenden Korrespondenzexpo im Jahr 2000 dar, die nun auf Hannoveraner Niveau abzusinken droht.

Eine „Peinlichkeit allererster Ordnung“ befürchtet auch Stadtrat Holger Schmidt, einer der schärfsten Gegner der Abrißpläne: „Natürlich kann man den in Massen anfallenden Bauschutt vor Ort schreddern und ihn für ökologischen Straßenbau und noch ökologischere Parkplätze verwenden“, so Schmidt, „aber wir blamieren uns doch vor der Weltöffentlichkeit bis auf die Knochen, wenn wir zur Expo gestehen müssen, daß wir ein funktionierendes und denkmalgeschütztes Gebäude einem dann eben nicht mehr ökologischen Neubau geopfert haben.“