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Abschiebung entzweit Bonn und Berliner Senat

■ Streit um Rückübernahmeabkommen von bosnischen Kriegsflüchtlingen

Berlin (taz) – Zwischen Bonn und Berlin ist es zum offenen Konflikt über die Rückführung der bosnischen Flüchtlinge gekommen. Berlins Innensenator Jörg Schönbohm fühlt sich ausgerechnet von dem Mann getäuscht, mit dem er in der Ausländerpolitik sonst feste Allianzen schmiedet, von Bundesinnenminister Manfred Kanther.

Kanther, so machte CDU-Parteifreund Schönbohm seiner Verägerung Luft, habe auf der Innenministerkonferenz Mitte September nicht deutlich gemacht, daß sich die Abschiebung von bosnischen Flüchtlingen durch organisatorische und formale Hindernisse erheblich verzögern wird. Erst zehn Tage nach der Konferenz, am 29. September, hatte der Bundesinnenminister seine Länderkollegen schriftlich unterrichtet, daß jede Abschiebung vorab „den bosnischen Behörden formlos und in deutscher Sprache mitgeteilt“ werden müsse. Vor jedem zwangsweisen Rücktransport, so empfiehlt der Kanther-Brief, sei eine Rückantwort der bosnischen Behörden abzuwarten. Berlin, das nach Bayern Vorreiter bei den Abschiebungen sein will, sieht dadurch die schon geplante Abschiebung von rund 1.700 Bürgerkriegsflüchtlingen um Wochen verzögert. „Nach der derzeitigen Lage“, so die Berliner Innenbehörde gestern, „ist nicht mit massenweisen Abschiebungen zu rechnen.“

In Berlin interpretiert man Kanthers Brief so, daß die Namen sämtlicher „Abschüblinge“ nach Sarajevo übermittelt werden müssen. Eine entsprechende Liste hat man deshalb via Bundesgrenzschutz nach Bosnien-Herzegowina geschickt, bisher aber noch keine Antwort erhalten. Meldungen, daß die Ausländerbehörde deshalb Flüge stornieren mußte, mit denen Flüchtlinge zurücktransportiert werden sollten, wollte die Innenbehörde weder bestätigen noch dementieren. Innensenator Schönbohm fühlt sich deshalb von Kanther „schlecht informiert“ und „unfair behandelt“ und fordert jetzt offenbar Nachverhandlungen: „Wir müssen nun mit Bonn und den anderen Ländern reden, um zu einer Lösung zu finden.“

Im Bonner Innenministerium führt man den Streit auf ein „Mißverständnis“ zurück. Minister Kanther habe in seinem Brief an die Länder doch nur über den Verhandlungsstand des deutsch-bosnisches Rückführungsabkommens informiert. Wann dieses Abkommen unterzeichnet wird, und was darin steht, darüber wahrt man in Bonn strikte Geheimhaltung. Der Entwurf für dieses Abkommen, der der taz vorliegt, enthält jedoch genau die formalen Bedingungen, die Berlins Innensenator jetzt als Verzögerung moniert. In dem Vertragsentwurf erklärt sich die Regierung Bosnien-Herzegowinas zwar bereit, freiwillige Rückkehrer ohne Formalitäten aufzunehmen. Für jeden Flüchtling, der abgeschoben werden soll, müssen die deutschen Behörden jedoch ein förmliches Übernahmeersuchen stellen.

Ähnlich wie Vietnam sich auch Bosnien-Herzegowina vor, die Identität jedes Rückkehrers zu überprüfen. Der vorliegende Vertragsentwurf räumt den bosnischen Behörden dafür eine Frist von maximal drei Wochen ein. Aufnahmebreit zeigt sich die bosnische Regierung nur gegenüber denen, die anhand eines bosnischen Passes oder anderer Dokumente ihre Staatsbürgerschaft nachweisen können. Flüchtlinge mit kroatischem Paß werden in dem Vertragsentwurf nicht berücksichtigt. Das Abkommen in seiner bisherigen Form sieht keine Stichtage für die Rückkehrer vor. Eine „freiwillige Rückkehr“ möglichst vieler Flüchtlinge sei „wünschenswert“, heißt es darin, eine „Rückführung“ – vornehme Umschreibung für Abschiebung – solle jedoch „phasenweise und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklung in Bosnien und Herzegowina“ erfolgen. Vera Gaserow

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