■ Nur ein Boykott rettet Tropenholz, sagen deutsche Urwaldfreunde. Aber das ist eine gedankenarme Lüge
: Geistiger Öko-Giftmüll

„Einen unglaublichen Skandal“ brandmarkt die grüne Bundestagsabgeordnete Köster-Loßack. Edle Seelen laufen Sturm. Öko-Publizisten schwingen ihre moralischen Zeigefinger. Die Szene tobt. Was ist geschehen? Der TV-Journalist Thomas Weidenbach hat für seinen Dokumentarfilm „Tropenholz – Boykotteure auf dem Holzweg“ den Journalistenpreis Entwicklungspolitik erhalten.

Sehr zu Recht, denn der Film ist ein solides Stück Aufklärung, in dem ein Mythos deutscher Urwaldfreunde gut begründet zerlegt wird. Der Mythos heißt „Tropenholzboykott“. Wenn niemand mehr Mahagoni kauft – so die Theorie der Dschungelkämpfer –, dann würden die Holzfäller abziehen. Der Regenwald wäre gerettet. Affen und Papageien könnten frohlocken.

Weidenbach war in Malaysia, dem Land, welches weltweit am meisten Tropenholz exportiert. Er kam dort zu einem ganz anderen Schluß. Der malaysische Urwald ist weniger durch Sägewerke bedroht als durch große Ölpalm- und Gummibaumplantagen. Wäre das Holz plötzlich wertlos, würden die Plantagenfarmer auch das letzte Fleckchen Dschungel abfackeln, um ihre Produkte dort anzubauen. Wenn die Holzfirmen abziehen, bleibt ein wertvoller Wald zurück, der nachwachsen kann. Anders als etwa im Amazonasgebiet regeneriert sich der Wald auf Malaysias vulkanischen Böden selbst dort, wo rabiate Forstmethoden unnötig viel zerstörten. Ergo: Tropenholz muß wertvoll bleiben und am besten noch viel teurer werden. Eine vernünftige Forstwirtschaft ist die Rettung und nicht die Bedrohung des Regenwaldes.

Das paßt deutschen Boykotteuren nun überhaupt nicht in den Kram. Sind sie doch recht einfache Gemüter, die am liebsten wie Regenwaldpapageien Phrasen nachplappern: Tropenholz böse, böse! Kritischer Journalismus ist ihnen ein Graus. Und weil sie im Grunde wissen, daß Weidenbach recht hat, holen sie zum Schlag unter die Gürtellinie aus: Weidenbach sei korrupt. Die Anklage lautet:

1. Eine PR-Agentur der malaysischen Holzwirtschaft hat Videomitschnitte der Fernsehsendung erstellt und freigiebig verteilt.

2. Die malaysische Holzindustrie beteiligte sich finanziell an einer Filmfassung für den Schulgebrauch (die übrigens von einem Fachberater der Öko-Gruppe „Pro Regenwald“ begleitet wurde).

Der erste Vorwurf ist kaum wert, darauf einzugehen. Jeder kann zu Hause Videomitschnitte erstellen soviel er will, ohne daß ein Filmautor überhaupt davon erfährt. Der zweite Anklagepunkt erscheint schon gewichtiger. Was hat die Interessenvertretung der Holzfäller bei einer Filmfinanzierung verloren? Jeder in der Dokumentarfilmbranche weiß, die Schulfilmstelle FWU ist knapp bei Kasse und sucht daher ständig Sponsoren. Daß die FWU, ohne den Filmemacher zu fragen, ausgerechnet bei der Holzlobby kassierte, zeugt von politischer Naivität. Weidenbachs inhaltliche Hoheit über den Film blieb davon jedoch unberührt.

Pikanterweise ist dies jedoch ganz anders, wenn manche Umweltverbände Fernsehsendern Mischfinanzierungen anbieten: Öko-Funktionäre finden gar nichts dabei, den Inhalt bis zum letzten Komma zu überwachen. Sie finden auch nichts dabei, in ihren Presseerklärungen gleich halbfertige Filmberichte anzubieten, die das jeweilige Thema in ihrem Sinne rüberbringen. Und es gibt immer wackere Umweltjournalisten, die dies auch brav tun. Ökogruppen und Umweltjournalisten leben in Deutschland seit Jahren in einer fragwürdigen Symbiose. Die Berichterstatter fühlen sich als Teil einer Bewegung, die grundsätzlich recht hat, weil sie das Gute will. Manche von ihnen haben ihren kritischen Verstand in die Spendenbüchse geworfen und helfen mit, Stimmungen zu erzeugen, statt Fakten zu übermitteln. So entstehen Informations-GAUs wie Brent Spar. Ein Reporter erzählte mir folgende Begebenheit: Als er bei einem glimpflich verlaufenen Tankerunglück vor Ort recherchierte, sah er, wie Kollegen, enttäuscht darüber, daß sie keine Katastrophenbilder filmen konnten, einen Kormoran fingen und für die Kamera ins Öl warfen. Weidenbach hat das eigene Denken nicht aufgegeben – deshalb hat ihn die grüne Kirche exkommuniziert.

Zu den miesen Unterstellungen gegen ihn gesellt sich noch der Vorwurf, wer in Malaysia drehe, habe gefälligst einen Sprecher der Naturvölker Borneos zu interviewen. Als ob deren Häuptlinge nicht im vollen Federschmuck auf sämtlichen Podien Deutschlands gesessen hätten. Noch heute glauben viele spendenfreudige Bürger, typische Malaysier würden im Lendenschurz durch den Wald pirschen. Ein Bild, das ebenso realistisch ist, als schickte man den letzten lederbehosten Gamsjäger aus einem vergessenen Alpental als Vertreter Bayerns nach Asien. Der Durchschnittsbayer arbeitet heute bei Siemens oder BMW, und der Durchschnittsmalaysier – egal aus welcher Volksgruppe er stammt – ist Arbeiter, Angestellter, Bauer oder Händler. Die Jäger und Sammler sind eine Minderheit von wenigen hundert Menschen – deren Rechte natürlich gewahrt werden müssen. Ihre Ansichten über die Zukunft des Landes sind allerdings kaum repräsentativ.

Die Gruppen, die Weidenbach so wütend attackieren, sind in der Vergangenheit von den Medien stets verhätschelt worden. Jetzt können sie Kritik nur noch als Verrat empfinden. Kratzt jemand an ihrem geschlossenen Weltbild, entweicht totalitärer Mief.

In Berlin forderten die deutschen Regenwaldretter Roman Herzog auf, Weidenbach den Preis nicht zu verleihen. Bei Herzogs grünem Gegenkandidaten Jens Reich wären sie vielleicht damit durchgekommen. Er schlug vor, einen mächtigen Öko-Rat einzurichten, der über den demokratischen Strukturen residieren soll. Zum Glück hat Roman Herzog die Wahl gewonnen, sonst müßten Umweltreportagen vermutlich beim Öko-Rat vorgelegt werden. Luise Rinser, auch eine Ex-Kandidatin der Grünen für das Präsidentenamt, hat einmal sehr offen gesagt, wie es um die Freiheit im künftigen Öko-Paradies bestellt sein wird. Sie zeigte sich besorgt darüber, daß „in westlichen Parlamenten sehr viel Zeit, Kraft und Volksvermögen vergeudet“ wird, und empfiehlt: „Ein halbes Jahrhundert Erziehung des nordkoreanischen Volkes müßte ein international wirksames Beispiel sein.“

Ich habe aus dem Wirbel um Weidenbachs Film eines gelernt: Die Holzindustrie stellt wenigstens nützliche Produkte her, die Protestbranche immer mehr geistigen Giftmüll. Michael Miersch