Die gute Idee wurde für kleine Läden zum Problem

■ In den Niederlanden nutzt ein Drittel der Haushalte die längeren Ladenöffnungszeiten. Doch jetzt bedrohen Supermärkte die „Abendläden“

Länger einkaufen gehen – das ist in den Niederlanden seit dem 1. Juni überhaupt kein Problem mehr. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur die sogenannten Abendläden: Das sind kleinere Supermärkte, die neben Alkohol und anderen Getränken auch Süßigkeiten und Grundnahrungsmittel sowie fertig zubereitete Speisen anboten. Diese Abendläden durften in der ersten Jahreshälfte nur dann die Türen öffnen, wenn die „normalen“ Geschäfte bereits geschlossen hatten. Das mit den Abendläden war eine pfiffige Idee: Mit ihnen wurden sowohl neue Arbeitsplätze geschaffen als auch der Service verbessert. Allerdings, die Preise waren meist gepfeffert.

Seit dem 1. Juni dürfen nunmehr alle Supermärkte und Tante- Emma-Läden ihre Türen sechs Tage in der Woche bis 22 Uhr offen halten – und die meisten tun dies auch. Durchschnittlich bis 20 Uhr und in ausgewählten Innenstadtlagen bis 22 Uhr. Die Kunden reagieren erfreut. Einer Untersuchung zufolge haben zehn Prozent aller Niederländer die neuen Einkaufschancen nach 18 Uhr wahrgenommen. Eine zweite Erhebung, vorgenommen vom „Central Bureau Levensmiddelenhandel“ (CBL), spricht sogar von 34 Prozent aller Haushalte, die ihre Einkäufe erst nach 18 Uhr erledigen. Vor allem „junge Haushalte ohne Kinder“ machen danach regen Gebrauch von der neuen Einkaufsfreiheit, 66 Prozent von ihnen geht später in den Supermarkt als es zuvor möglich war.

Bislang sind es vor allem Supermärkte, die meist bis 20 Uhr geöffnet haben. Alle wichtigen Ketten, wie Edah, Albert Heijn, Co-op, Dirk van den Broek und A&P, haben nun in der Regel länger geöffnet. Aber nur fünf Prozent aller Spezialgeschäfte (Kleidung, Fleischer, Bäcker usw.) halten ihre Türen länger geöffnet.

In Holland ist es darüber hinaus heute möglich, auch an Sonntagen einzukaufen. Früher durften in Amsterdam neben den Abendläden nur Bäcker jüdischen Glaubens sonntags öffnen, mit der Begründung, daß der Sonntag bei Juden nicht die gleiche Bedeutung wie bei Christen hat.

Die neue Regel sieht zwölf Öffnungssonntage im Jahr vor. Wobei es zwei Ausnahmen gibt: In touristischen Bezirken wie etwa in der Amsterdamer Innenstadt kann die Gemeinde den Läden die Möglichkeit einräumen, jeden Sonntag zu öffnen. In Gemeinden mit überwiegend stark religiös orientierter Bevölkerung (zum Beispiel im sogenannten „Bibelgürtel“, in dem überwiegend calvinistisch-reformierte Gläubige wohnen und denen der Sonntag besonders heilig ist) kann der Sonntagsverkauf ganz und gar verboten werden. Die entsprechenden Gemeinden verfahren auch so.

Auf lange Sicht dürfte es aber auch Verlierer bei den neuen Regelungen geben. Dazu gehören Restaurants und Pizza-Services. Vor allem Haushalte mit jüngeren Berufstätigen, ob nun mit oder ohne Kind, können sich mit Fertiggerichten viel preiswerter im Supermarkt versorgen. Darüber hinaus werden wohl die Abendläden auf Dauer zu den Verlierern gehören. Ihnen gehen nicht nur bis zu zwei Stunden Umsatz verloren, denn sie durften bis Mitternacht geöffnet bleiben. Mit der neuen Regelung haben sie auch Konkurrenz bekommen. Kein Wunder, daß es von dieser Seite Proteste gab. Falk Madeja, Amsterdam