Kuss schmeckt wie Kälberzunge

■ Im Moks: „Scharf“ - ein „Lust-Spiel“ über die erste Liebe

„Küssen ist noch einfach, doch dann wird–s kompliziert. Geht–s los, bist du plötzlich ahnungslos.“ Rockig-poppig beginnt „Scharf“, das neue „Lust-Spiel“ des Kinder- und Jugendtheaters Moks. Wenn es losgeht mit der Liebe und der Sexualität, gibt es ein großes Durcheinander, das ist mal so. Der Moks-Schauspieler Klaus Schumacher hat deshalb – mit dem Ensemble und mit SchülerInnen – ein Stück über erste Liebe und Lust entwickelt.

Wenn man Theater für Kinder und Jugendliche macht, dann liegen Themen wie Liebe und Sexualität auf der Hand. Dabei gilt das Aufklärungs-Stück des Berliner Rote Grütze-Theaters „Was heißt denn hier Liebe?“ noch immer als Klassiker. Ein Aufklärungsstück in diesem Sinne, so das Moks-Ensemble, soll „Scharf“ nicht sein. Trotzdem: Es scheint, als habe man sich hier und da doch bei der Roten Grütze bedient. So mischt zum Beispiel das Unterbewußte (hinter einer Jalousie halbversteckt) kräftig mit, wenn die beiden Verliebten Anne und Christian sich zum ersten Mal treffen. Und weil die Zwiegespräche, die sich daraus ergeben, überaus komisch und nicht pädagogisch verstaubt sind, ist gegen diese Klassiker-Anleihe auch nichts einzuwenden.

Da seufzt zum Beispiel Beate (Julia Klein): „Man müßte wissen, wie es ausgeht, dann hätte man das ganze Gehampel nicht.“ Oder Anne (Prisca Maier) erinnert sich an den ersten Kuß: „Seine Zunge erinnerte mich an die Kälberzunge, die es bei Tante Marta mal zum essen gab.“ Eineinhalb Stunden muß das Publikum darauf warten, daß Anne und Christian „sich kriegen“. Es ist aber auch zu schwierig mit den Gefühlen, dem Sich-Anfassen-Wollen und Sich-nicht-Trauen, mit dem „Wie sag–ich es bloß, ohne mich zu blamieren“. Immer wenn die Spannung steigt, wird die Haupthandlung durch eine Lautsprecherstimme unterbrochen. Sie gibt Anweisungen, was als nächstes zu tun ist. Zum Beispiel: „Jetzt ist die Kondomaufklärung dran.“ Und die wird so spritzig-witzig vermittelt, daß eine peinliche Unruhe gar nicht erst aufkommt.

Gut gelungen auch die „Selbstbewußtseins-Szene“ in der die vier Protagonisten sich zu ihren Schönheitsfehlern bekennen. Da zeigt die eine ihren Speck, der andere seine Pickel oder seine Narben, was die jungen ZuschauerInnen sichtlich beeindruckt. Unruhig werden sie erst nach einer Stunde, als das Paar sich eigentlich schon „gekriegt hat“. Trotz der wohldosierten Wechsel zwischen Haupthandlung und Unterbrechungen verliert das Stück gegen Ende leider an Spannung, weil es die Unsicherheiten und Ängste, die beim „ersten Mal“ auftauchen, wiederholt thematisiert. An dieser Stelle wird es dann doch pädagogisch-aufklärerisch. Schade. Entlassen wird das Publikum mit der tröstlich-aufmunternden Botschaft, daß das mit der Liebe zwar schwierig, aber schön ist.

Beate Hoffmann

Weitere Aufführungen am 2. und 9.11. um 19.30 Uhr sowie am 4., 5., 7. und 8.11. um 10.30 Uhr