„Mypegasus-Verträge unwirksam“

■ Bremerhavener Arbeitsrechtler: IG-Metall argumentierte zu Unrecht mit drohender Entlassung

Die früheren Kollegen des Schweißers Berzan Ö. auf der Schichau-Seebeck-Werft sind verunsichert. Das jüngste Bremerhavener Arbeitsgerichtsurteil schlug bei ihnen ein wie eine Bombe (vgl. taz 1.11.): Die Schichau-Seebeck-Werft durfte Vulkan-Arbeitern, die den Mypegasus-Vertrag nicht unterschrieben, nicht kündigen, befand das Gericht: Der 54jährigen Mann habe seinen Anspruch auf Beschäftigung nicht verloren, nur weil er seinen 22 Jahre alten Arbeitsvertrag mit der Schichau-Seebeck-Werft nicht freiwillig auflöste, um in die Mypegasus-Beschäftigungsgesellschaft zu wechseln. Jetzt gehört Berzan Ö. zu einer privilegierten handvoll festangestellter Mitarbeiter auf der Schichau-Seebeck-Werft – während seine ehemaligen Kollegen rätseln. „Viele wollen ihr Beschäftigungsverhältnis jetzt auch wieder herstellen“, berichtet Berzan Ö. Und: Viele glauben, die IG Metall hat sie schlecht beraten.

„Völlig zu Recht“, meinen dazu seine Anwälte, die Bremerhavener Arbeitsrechtler Walter und Piet Klemeyer. Die Idee von der Mypegasus-Gesellschaft sei zwar an sich nicht schlecht gewesen – „die Ausführung aber wohl mangelhaft.“ Die größte Schwäche des gewerkschaftlich geförderten Modells: „Um die Werften arbeitnehmerfrei zu bekommen, hat man auf jede soziale Absicherung verzichtet.“ Die Entwicklung auf der Lloyd-Werft zeige deutlich die Nachteile: „Die 400 Leute, die dort wieder fest angestellt wurden, sind doch eher eine olympiareife Mannschaft“. Lange Beschäftigte, Kranke, und Angeschlagene sitzen noch bei der Beschäftigungsgesellschaft Mypegasus – „und nach einem Jahr ist Schluß für sie. Dabei haben die Olympiareifen nur eine Chance gehabt, weil die anderen die Kosten tragen. Das hätte die Gewerkschaft anders regeln können.“

Ömerens Sieg vor dem Bremerhavener Arbeitsgericht soll der erste Schritt in der Demontage des umstrittenen Vertragswerks sein. Die beiden Bremerhavener Anwälte sind sich nämlich sicher, daß die dreiseitigen Auflösungsverträge, die fast 5.000 Vulkanesen im Frühjahr unterschrieben, unwirksam sind. Dabei beziehen sie sich auf ein früheres Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Das hatte Aufhebungsverträge in einem vergleichbaren Fall für unwirksam erklärt, weil die Vorschriften zum Kündigungsschutz beim Betriebsübergang umgangen worden waren. „Das ist unser Fall“, sagt Anwalt Klemeyer. „Dabei hätte man das alles besser machen können, ohne die Phantasie überzustrapazieren.“

Auf all dies antwortet die IG Metall vorerst mit großem Schweigen. Der „geistige Vater“ des Vertrags, der Tübinger Gewerkschaftsanwalt Stein, meinte, er wolle zur taz überhaupt nichts mehr über das Werftenproblem sagen – wegen der „Weltuntergangsstimmung die Sie verbreiten. Die ist bar jeder Vernunft.“

Nur der Bremer IG-Metallbevollmächtigte Dieter Reineken beharrt vorsichtig: „Ohne den Übergang in die Mypegasus hätte es für die Werften doch nur die Rolladenlösung gegeben. Für diesen Strohhalm waren wir bereit, auf vertragliche Rechte zu verzichten.“

Eva Rhode